Mitteilung Nr. 57 des Landesverbandes Nord im Deutschen Bühnenverein
V.i.S.d.P.: Geschäftsführer Joachim Benclowitz, Fachanwalt für Arbeitsrecht
Nr. 57 September 2016
A. Aktuelles
I. Kinder- und Jugendarbeit am Theater
II. Rauchverbot auf der Bühne?
B. Aktuelle Fälle
I. Rücknahme der Nichtverlängerung nach fristloser Entlassung des Intendanten
II. Klage des Personalrats wegen Verletzung des Mitbestimmungsrechts bei Ein-stellung eines Veranstaltungstechnikers
III. Ausfall eines selbständigen Gastsolisten
IV. Nichtverlängerung einer Assistentin des Leiters der Kostümabteilung
V. Gleichbehandlung von Orchestermusikern
VI. Durchgehende Beschäftigung selbständiger Gastsolisten
VII. Tarifvertragsauslegung: Große Choroper i.S.d. §§ 71 Abs. 3 b), 79 Abs. 2 c) NV Bühne
VIII. Geltendmachung von Leistungsschutzrechten
C. Aktuelle Rechtsprechung
D. Exkurs
I. Möglichkeiten bei vertragsbrüchigem Arbeitnehmer wegen Nichteinhaltung der Kündigungsfrist
II. Nichtverlängerungsmitteilung auch bei Befristungsgrund außerhalb NV Bühne
A. Aktuelles
I. Kinder- und Jugendarbeit am Theater
Da viele Theater umfangreiche Kinder- und Jugendaktivitäten wie z.B. Kinderchor, Jugendor-chester, Kinderoper, Theaterjugendclub o.ä. pflegen, soll an dieser Stelle einmal ein kurzer Abriss über die im Zusammenhang mit der Beschäftigung von Kindern und Jugendlichem am Theater relevanten gesetzlichen Regelungen erfolgen. Im Vordergrund stehen dabei die Best-immungen zum Jugendarbeitsschutz. Daneben soll auch auf Fragen zum Minderjährigenschutz im Zusammenhang mit dem Recht am eigenen Bild eingegangen werden.
1. Jugendarbeitsschutz
Die Beschäftigung von Kindern (unter 15 Jahre, vgl. § 2 Abs. 1 JArSchG) und vollzeitschul-pflichtigen Jugendlichen (vgl. § 2 Abs. 3 JArSchG) ist nach § 5 Abs. 1 JArSchG verboten. Das Verbot gilt jedoch gem. § 5 Abs. 3 S. 1 JArSchG nicht für die Beschäftigung von Kin-dern über 13 Jahren mit Einwilligung des Personensorgeberechtigten, soweit die Be-schäftigung leicht und für Kinder geeignet ist.
Die Beschäftigung ist nach § 5 Abs. 3 S. 2 JArSchG leicht, wenn sie auf Grund ihrer Beschaf-fenheit und der besonderen Bedingungen, unter denen sie ausgeführt wird, die Sicherheit, Gesundheit und Entwicklung der Kinder, ihren Schulbesuch, ihre Beteiligung an Maßnahmen zur Berufswahlvorbereitung oder Berufsausbildung, die von der zuständigen Stelle anerkannt sind, und ihre Fähigkeit, dem Unterricht mit Nutzen zu folgen, nicht nachteilig beeinflusst.
Nach § 5 Abs. 3 S. 3 JArSchG dürfen die Kinder und vollzeitschulpflichtigen Jugendlichen nicht mehr als zwei Stunden täglich, nicht zwischen 18 und 8 Uhr, nicht vor dem Schul-unterricht und nicht während des Schulunterrichts beschäftigt werden.
Nach § 6 Abs. 1 JArSchG kann die Aufsichtsbehörde auf Antrag bewilligen, dass
1. bei Theatervorstellungen Kinder über sechs Jahre bis zu vier Stunden täglich in der Zeit von 10 bis 23 Uhr
2. bei Musikaufführungen und anderen Aufführungen, bei Werbeveranstaltungen sowie bei Aufnahmen im Rundfunk (Hörfunk und Fernsehen), auf Ton- und Bildträger sowie bei Film- und Fotoaufnahmen
a) Kinder über drei bis sechs Jahre bis zu zwei Stunden täglich in der Zeit von 8 bis 17 Uhr
b) Kinder über sechs Jahre bis zu drei Stunden täglich in der Zeit von 8 bis 22 Uhr
gestaltend mitwirken und an den erforderlichen Proben teilnehmen.
Ferner sind die weiteren Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 JArSchG zu beachten:
- Schriftliche Einwilligung der Personensorgeberechtigten
- Vorlage einer nicht länger als vor drei Monaten ausgestellten ärztlichen Bescheinigung, nach der keine gesundheitliche Bedenken gegen die Beschäftigung bestehen
- Treffen der erforderlichen Vorkehrungen und Maßnahmen zum Schutz des Kindes ge-gen Gefahren für Leben und Gesundheit sowie zur Vermeidung einer Beeinträchti-gung der körperlichen oder seelisch-geistigen Entwicklung
- Sicherstellung der Betreuung und Beaufsichtigung des Kindes bei der Beschäftigung
- Einhaltung einer ununterbrochenen Freizeit von mindestens 14 Stunden nach Beendi-gung der Beschäftigung
- Keine Beeinträchtigung des Fortkommens in der Schule
(Nicht vollzeitschulpflichtige) Jugendliche (15 bis 18 Jahre, vgl. § 2 Abs. 2 JArSchG) dürfen nach § 14 Abs. 7 S. 1 JArSchG bei Musikaufführungen, Theatervorstellungen und anderen Aufführungen, bei Aufnahmen im Rundfunk (Hörfunk und Fernsehen), auf Ton- und Bildträ-ger sowie bei Film- und Fotoaufnahmen bis 23 Uhr gestaltend mitwirken. Nach Beendigung der Tätigkeit dürfen Jugendliche gem. § 14 Abs. 7 S. 3 JArSchG nicht vor Ablauf einer unun-terbrochenen Freizeit von mindestens 14 Stunden beschäftigt werden.
Die Beschäftigung Jugendlicher bei Musikaufführungen, Theatervorstellungen und anderen Aufführungen, bei Aufnahmen im Rundfunk (Hörfunk und Fernsehen), auf Ton- und Bildträ-ger sowie bei Film- und Fotoaufnahmen ist zudem auch an Samstagen (vgl. § 16 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 JArSchG) sowie an Sonntagen zulässig (vgl. § 17 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 JArSchG).
Zusammengefasst lässt sich Folgendes zu den Beschäftigungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen in den verschiedenen Altersstufen sagen:
Kinder bis 3 Jahre: keine Ausübung weisungsgebundener Tätigkeiten, Verantwortlichkeit der Eltern oder Erziehungsberechtigten
Kinder über 3 bis 6 Jahre: auf Antrag bis zu 2 Stunden täglich in der Zeit von 8 bis 17 Uhr
Kinder über 6 Jahre sowie vollzeitschulpflichtige Jugendliche: auf Antrag bei Theatervorstel-lungen bis zu 4 Stunden täglich in der Zeit von 10 bis 23 Uhr, bei Musikaufführungen und anderen Aufführungen, Werbeveranstaltungen, bei Aufnahmen im Rundfunk (Hörfunk und Fernsehen), auf Ton- und Bildträger sowie bei Film- und Fotoaufnahmen bis zu 3 Stunden täglich in der Zeit von 8 bis 22 Uhr
Kinder über 13 Jahre sowie vollzeitschulpflichtige Jugendliche: mit Einwilligung des Perso-nensorgeberechtigten, soweit die Beschäftigung leicht und für Kinder geeignet ist, ohne bis zu 2 Stunden täglich in der Zeit von 8 bis 18 Uhr, nicht vor oder während des Schulunterrichts
Nicht vollzeitschulpflichtige Jugendliche über 15 bis 18 Jahre: bis 23 Uhr, ununterbrochene Freizeit von mindestens 14 Stunden, auch an Samstagen und Sonntagen
Ferner dürfen Kinder über 13 Jahre und vollzeitschulpflichtige Jugendliche nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 KindArbSchV beschäftigt werden mit Tätigkeiten bei nichtgewerblichen Aktionen und Veranstaltungen u.a. der Verbände und Vereine, wenn die Beschäftigung nach § 5 Abs. 3 JArSchG leicht und für sie geeignet ist (vgl. dazu § 5 Abs. 3 S. 2 JArSchG).
2. Abbildung Minderjähriger:
Ein weiteres Problem im Zusammenhang mit der Beschäftigung Minderjähriger am Theater stellt sich bezüglich des Rechts am eigenen Bild. Nach § 22 S. 1 KUG dürfen Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Die Einwilligung gilt gemäß § 22 S. 2 KUG im Zweifel als erteilt, wenn der Abgebildete dafür, dass er sich ablichten ließ, eine Entlohnung erhielt. Bei der Abbildung Minderjähriger stellt sich die Frage, auf wessen Einwilligung es ankommt, die des Minderjährigen oder seiner ge-setzlichen Vertreter. Hierzu gilt es Folgendes zu beachten:
Die Rechtsnatur der Einwilligung ist umstritten. Während der BGH hierin einen Realakt sieht (vgl. BGH, Urteil vom 22. April 1980 – VI ZR 121/78 – BGHZ 77, 74), wird auch vertreten, dass es sich um eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung oder jedenfalls um eine geschäfts-ähnliche Handlung handelt (OLG München, Urteil vom 17. März 1989 – 21 U 4729/88). Das BAG hält die für Willenserklärungen geltenden Grundsätze jedenfalls für entsprechend an-wendbar (BAG, Urteil vom 19. Februar 2015 – 8 AZR 1011/13).
Unstreitig ist wohl, dass bei Geschäftsunfähigen, also Kindern unter 7 Jahren (vgl. § 104 Nr. 1 BGB), die Einwilligung ausschließlich durch den gesetzlichen Vertreter (§§ 1629, 1793 BGB) erfolgt (vgl. Dreier, § 22 KUG, Rn. 25).
Bei beschränkt Geschäftsfähigen, also Minderjährigen über 7 Jahren (vgl. § 106 BGB), kom-men die rechtsgeschäftlichen Vorschriften der §§ 107 ff. BGB auch hinsichtlich der vermö-gensrechtlichen Komponente des Rechts am eigenen Bild zur Anwendung (vgl. Dreier, § 22 KUG, Rn. 26). Je nachdem, ob die Einwilligung vertraglich eingebunden oder isoliert erteilt worden ist, finden die §§ 107, 108 BGB bzw. § 111 BGB Anwendung (OLG München AfP 1995, 658; vgl. auch LG Hannover ZUM 2000, 970).
Angesichts der persönlichkeitsrechtlichen Komponente des Rechts am eigenen Bild kann je-doch die Einwilligung allein durch die Eltern nicht bei einem Widerspruch des Minderjährigen erfolgen, eine entsprechende Einsichtsfähigkeit des Minderjährigen vorausgesetzt, die wohl in der Regel ab 14 Jahren anzunehmen sein wird (vgl. Dreier, § 22 KUG, Rn. 26). Teilweise wird in diesem Fall sogar die alleinige Entscheidungsmacht des Minderjährigen befürwortet (vgl. OLG Karlsruhe, FamRZ 1983, 762).
Hat der gesetzliche Vertreter den Minderjährigen gemäß § 113 BGB zu einer Tätigkeit als Fotomodell generell ermächtigt, so kann dieser die im Rahmen seiner Tätigkeit anfallenden Einwilligungen nach § 22 S. 1 KUG selbst erteilen (vgl. Dreier, § 22 KUG, Rn. 27).
Zusammengefasst lässt sich also Folgendes sagen:
Kinder bis 7 Jahre: Einwilligung ausschließlich durch den gesetzlichen Vertreter
Minderjährige ab 7 Jahre: Einwilligung durch den Minderjährigen nur bei lediglich rechtlich vorteilhaften und nicht einseitigen Geschäften, sonst Einwilligung des gesetzlichen Vertreters
Jugendliche mit entsprechender Einsichtsfähigkeit (i.d.R. ab 14 Jahre): Einwilligung durch gesetzlichen Vertreter nur, wenn kein Widerspruch des Jugendlichen
Generelle Ermächtigung als Fotomodell: Einwilligung nur durch den Minderjährigen
II. Rauchverbot auf der Bühne?
Ein weiteres Thema von gewisser Relevanz für sämtliche Bühnen ist der seit 2007 bestehende Nichtraucherschutz. Auf zwei Anzeigen eines Theaterbesuchers hatte unser Mitglied einen Bescheid bzgl. eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens wegen Verstoßes gegen das Gesetz zum Nichtraucherschutz erhalten. Hintergrund war folgender: In zwei verschiedenen Vorstel-lungen hatten mehrere Schauspieler mehrfach Zigaretten auf der offenen Bühne geraucht. Im entsprechenden Landesrecht ist das Rauchen ausdrücklich auch in Einrichtungen, die der Be-wahrung, Vermittlung, Aufführung und Ausstellung künstlerischer, unterhaltender oder histo-rischer Inhalte oder Werke dienen, soweit sie der Öffentlichkeit zugänglich sind (Kulturein-richtungen) verboten.
Neben dem Gesetz zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens auf Bundesebene haben auch alle 16 Bundesländer Gesetze zum Nichtraucherschutz verabschiedet. Abgesehen von Baden-Württemberg (hier nur Kinos) besteht danach in sämtlichen Bundesländern ein (mehr oder weniger strenges) Rauchverbot auch in Kultureinrichtungen. Dieses rechtfertigt sich mit dem Gesundheitsschutz, kann aber in ein Spannungsverhältnis insbesondere zur Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG treten. Diese unterliegt keinem Gesetzesvorbehalt. Eine Einschränkung kann nur durch kollidierendes Verfassungsrecht gerechtfertigt sein. Dies wäre in diesem Fall der Gesundheitsschutz aus Art. 2 Abs. 2 GG. Bei der umfassenden Abwägung der beiden Güter im Wege praktischer Konkordanz wird der Nichtraucherschutz vielfach zurückstehen müssen. Denn eine einzelne rauchende Person auf der Bühne wird die Zuschauer kaum beein-trächtigen. Besonders problematisch ist dies, wenn ein Stück, das möglicherweise urheber-rechtlich geschützt ist, verändert werden muss.
Diesem Umstand tragen bislang jedoch nur wenige Landesregelungen Rechnung. So gibt es in Bayern, Berlin und Rheinland-Pfalz explizit eine Ausnahme für künstlerische Darbietungen, bei denen das Rauchen als Teil der Darbietung Ausdruck der Kunstfreiheit ist. In den übrigen Ländern gilt das Rauchverbot jedoch nach dem Gesetz auch auf der Bühne uneingeschränkt. Hier kommt, solange der Gesetzgeber nicht dem Vorbild aus den genannten drei Ländern folgt, weiterhin nur die Berufung auf die verfassungsrechtlich verbürgte Kunstfreiheit in Betracht, wobei dann im Einzelfall eine Abwägung mit dem Gesundheitsschutz erfolgt.
B. Aktuelle Fälle
I. Nichtverlängerung eines Betriebsratsmitglieds
Eine bei einem Theater angestellte Schauspielerin hat gegen ihre aus künstlerischen Gründen ausgesprochene Nichtverlängerungsmitteilung vom 10.07.2015 geklagt. Mit Schreiben vom 18.06.2015 war die Klägerin zu einem Anhörungsgespräch am 26.06.2015 gebeten worden.
Die Klägerin ist der Ansicht, die Nichtverlängerung ihres Vertrages sei unzulässig, da sie we-gen ihres Engagements als Spartensprecherin und als Betriebsratsmitglied ausgesprochen worden sei. Hintergrund ist, dass es zwei Tage vor der Anhörung, am 16.06.2015, zwischen dem Intendanten und der Klägerin ein Gespräch gab. Dabei ging es um die Versäumung eines Gastspiels wegen eines Betriebsratsseminars. Dieses war von der Klägerin ordnungsgemäß angemeldet worden, jedoch durch ein Versehen der Disposition nicht berücksichtigt worden, sodass die Klägerin für die fragliche Vorstellung eingeteilt wurde. Nachdem der Fehler von der Klägerin bemerkt wurde, bestand sie unter Verweis auf die bereits erfolgte Genehmigung auf der Teilnahme an dem Betriebsratsseminar.
Streitig war insbesondere der Zeitpunkt, ab dem eine Nichtverlängerung der Klägerin im Raum stand, da hiervon die Frage abhing, ob die Nichtverlängerung möglicherweise wegen der Betriebsratstätigkeit der Klägerin ausgesprochen wurde. Das Theater behauptete, dass es bereits im Mai 2015 Gespräche über die mögliche Nichtverlängerung der Klägerin gab. Hierzu musste ein Fortsetzungstermin anberaumt werden, um die Zeugen zu hören.
Dann nahm der Fall eine unerwartete Wende: Da in der Zwischenzeit der Intendant des Thea-ters fristlos entlassen worden war und der künftige Intendant durchaus mit der Klägerin zu-sammenarbeiten möchte, entschied sich das Theater, die Nichtverlängerungsmitteilung zu-rückzunehmen. Es wurde sich also außergerichtlich dahingehend verglichen, dass das Theater darauf verzichtet, aus der Nichtverlängerung weitere Rechte abzuleiten und die Klägerin sich verpflichtet, ihre Klage zurückzunehmen.
II. Klage des Personalrats wegen Verletzung des Mitbestimmungsrechts bei Einstellung eines Veranstaltungstechnikers
Der Personalrat hat wegen Verletzung seines Mitbestimmungsrechts bei der Einstellung eines Veranstaltungstechnikers nach NV Bühne Klage erhoben.
Er ist der Ansicht, dass es für die Beurteilung der Frage einer überwiegend künstlerischen Tätigkeit des Veranstaltungstechnikers und damit des Ausschlusses eines Mitbestimmungs-rechts des Personalrats nicht allein auf die einzelvertragliche Vereinbarung ankomme, sondern vielmehr eine Wertung nach objektiven Kriterien zu erfolgen habe. Ausschlaggebend sei die ausgeübte bzw. auszuübende Tätigkeit.
Das Verwaltungsgericht ist jedoch der Ansicht unseres Mitglieds gefolgt und hat die Anträge abgelehnt. Es folgt darin dem BAG (vgl. Urteil vom 28.01.2009 – 4 AZR 987/07 sowie Urteil vom 25.02.2009 – 7 AZR 942/07, bereits besprochen in unserer Mitteilung Nr. 36 vom De-zember 2009) sowie dem Sächsischen Oberverwaltungsgericht (vgl. Beschluss vom 23.01.2013 – PL 9 A 580/11). Folglich ist weiterhin davon auszugehen, dass die einzelver-traglich festgelegte Charakterisierung der Tätigkeit als überwiegend künstlerisch ausschlag-gebend ist.
Der Personalrat hat jedoch Beschwerde gegen das Urteil eingelegt. Wir werden daher weiter berichten.
III. Ausfall eines selbständigen Gastsolisten
Ein Gastsolist wurde auf freiberuflicher Basis für einen handverlesenen neunköpfigen Opern-chor für die Produktion Idomeneo engagiert. Der Chor sollte nicht szenisch eingesetzt wer-den, jedoch war die Akustik in dem Theater etwas problematisch und es waren die Live-Übertragung sowie eine CD-Produktion geplant. Deshalb war es äußerst wichtig, dass die Sänger aufeinander abgestimmt sind und einen homogenen Klang bilden. Im Laufe der Pro-benarbeit wurden auch beim Chor noch halbszenische Elemente eingebaut.
Wegen einer Erkrankung verpasste der Sänger sämtliche fünf Chorproben. Nach seiner Ge-sundmeldung hätte er noch an jeweils zwei Bühnenorchester- und Hauptproben sowie an der öffentlichen Generalprobe mit Sicherheitsmitschnitt teilnehmen können. Der künstlerische Leiter war der Ansicht, dass der erst zu den Endproben erscheinende Solist nicht mehr in der Lage wäre, seine Partie nachzustudieren. Er begründete dies unter anderem damit, dass die musikalische Assistentin während der Endproben auch als Cembalistin eingesetzt würde und anderen Aufgaben nachgehen müsse. Die Chornummern würden nur noch durchgesungen, eine musikalische Feinarbeit sei nicht mehr möglich.
Der Solist bot dagegen ausdrücklich die Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten an. Als dip-lomiertem Solisten im Fach Alte Musik Gesang sei er durchaus in der Lage, in den verblei-benden Proben eine bereits auswendig erlernte kleine Chorpartie zur absolute Bühnenreife klanglich wie darstellerisch auszuarbeiten. Im Opernbetrieb sei ja sogar die Übernahme einer bereits studierten Chorpartie mit nur einer einzigen Bühnenbegehung üblich und alltäglich.
Mit anwaltlichem Aufforderungsschreiben machte der Solist schließlich die Zahlung der ver-einbarten Vergütung für die verbliebenen Proben- und Aufführungstermine wegen Annahme-verzugs geltend.
Der Vertrag enthielt eine Ausfallregelung dahingehend, dass bei durch den Künstler zu ver-antwortendem Entfall der Vergütungssatz für den Termin entfällt. Nach § 616 BGB wird der zur Dienstleistung Verpflichtete des Anspruchs auf die Vergütung nicht dadurch verlustig, dass er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird.
Beim Gastvertrag als freiem Dienstvertrag ist diese Vorschrift im Unterschied zum Arbeits-vertrag abdingbar, jedoch muss sich eine entsprechende Klausel an den §§ 307 ff. BGB mes-sen lassen, d.h. insbesondere hinreichend klar und bestimmt sein und darf den Dienstver-pflichteten nicht unangemessen benachteiligen (vgl. BAG, Entscheidung vom 07.02.2007 – 5 AZR 270/06, bereits erwähnt in unserer Mitteilung Nr. 29 vom November 2007).
Um einen Prozess zu vermeiden, der aufgrund der wenig aussagekräftigen Formulierung der Klausel als risikoreich eingeschätzt wird, wurde die vergleichsweise Zahlung der Hälfte des geltend gemachten Betrages angeboten. Hierauf hat die Gegenseite noch nicht reagiert. Im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung werden wir weiter berichten.
IV. Nichtverlängerung einer Assistentin des Leiters der Kostümabteilung
Die Klägerin war seit dem 01.11.2000 bei unserem Mitglied beschäftigt, zuletzt als Fundus-verwalterin/Assistentin des Kostümdirektors. Der letzte Vertrag wurde unter Bezugnahme auf den Bühnentechnikertarifvertrag, Vorgänger des heutigen NV Bühne, geschlossen. Zunächst wurde vor dem Arbeitsgericht auf Feststellung des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses geklagt. Die Klägerin war der Ansicht, dass ihr Arbeitsverhältnis nicht unter den NV Bühne falle.
Dann hat die Klägerin ihr Begehren auch vor dem Bühnenschiedsgericht verfolgt. Aus Kos-tengründen wurde hier zunächst auf eine Legitimation verzichtet, da bereits Vergleichsge-spräche geführt wurden und bereits davon auszugehen war, dass auch die neuerliche Klage durch einen Vergleich erledigt werden kann.
Es wurde sich dahingehend außergerichtlich verglichen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien infolge der Nichtverlängerungsmitteilung vom 03.06.2016 zum Ende der Spiel-zeit 2015/2016 aus betriebsbedingten Gründen sein Ende finden wird. Unser Mitglied zahlt der Klägerin dafür eine Abfindung in Höhe von sechs Monatsbruttogehältern.
V. Gleichbehandlung von Orchestermusikern
Zahlreiche Orchestermitglieder haben auf Zahlung eines höheren Gehalts aufgrund des ar-beitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes geklagt.
Die Beklagte ist eine landesunmittelbare, rechtsfähige Stiftung des öffentlichen Rechts. Sie umfasst mehrere nicht rechtsfähige Betriebe. Das Orchester eines anderen Betriebes hatte bereits vor Zusammenlegung der Betriebe durch Gründung der Stiftung einen Haustarifver-trag abgeschlossen, der den Zweck hatte, die vom Bund zur Verfügung gestellten Mittel aus-schließlich den Musikern dieses Orchesters zuzuführen. Gleichzeitig wurde eine bis dahin gewährte Medienzulage bei dem Orchester der Kläger abgeschafft. So kam es zu erheblichen Gehaltsunterschieden zwischen den Musikern der beiden Orchester, die auch mit Gründung der Stiftung, die nunmehr als alleinige Arbeitgeberin aller Betriebe fungiert, aufrechterhalten blieben. Später wurde der Haustarifvertrag des begünstigten Orchesters in nahezu identischer Weise erneuert. Er wurde ebenfalls aus Anlass und auf Grundlage der vom Bund und dem Land zur Verfügung gestellten Mittel geschlossen und dient der Sicherung ihrer musikalischen Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit durch Einkommensverbesserung und Flexibilisierung der Dienstleistungsregelung. Mit Inkrafttreten der Kooperationsklausel des § 7 TVK ab der Spielzeit 2015/2016 können die Musiker der Orchester der anderen Betriebe ohne Weiteres und ohne rechtliche Begrenzung in das begünstigte Orchester versetzt werden. In diesem Falle müssen sie die gleiche Leistung erbringen und die gleiche Arbeit zu den gleichen Be-dingungen verrichten wie die Mitglieder des begünstigten Orchesters, ohne einen Anspruch auf die gleiche Vergütung zu haben.
Das Gericht hat erste Klagen abgewiesen. Es hat ausgeführt, dass nach dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz kein Anspruch auf Anwendung des Tarifvertrags des begünstig-ten Orchesters und entsprechende Vergütung besteht. Die Vereinbarung unterschiedlicher Arbeitsbedingungen für die Musiker der beiden Orchester ist danach mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.
Die Kammer ist der Ansicht, dass die Tarifvertragsparteien bei der Vereinbarung des persön-lichen Geltungsbereichs eines Tarifvertrags keiner unmittelbaren Bindung an Art. 3 Abs. 1 GG unterliegen, sondern im Hinblick auf ihr vorrangig zu beachtendes Grundrecht der Koali-tionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG bis zur Grenze der Willkür frei sind, in eigener Selbstbe-stimmung den persönlichen Geltungsbereich ihrer Tarifregelungen festzulegen. Die Kammer hat ferner festgestellt, dass auch keine Negativregelung getroffen wurde. Durch die jeweiligen Tarifverträge wurde nicht mittelbar eine niedrigere Vergütung der Musiker oder ein Aus-schluss von bestimmten Zusatzleistungen geregelt. Die zweckgebundene Zuwendung der Bundesmittel stellt zudem einen sachlich einleuchtenden Grund dar. Ferner ist nach Ansicht der Kammer auch kein Rechtsgrund ersichtlich, der verschiedene Tarifverträge für unter-schiedliche Betriebe eines Unternehmens ausschließt und über die Differenzierung zwischen Nicht-Regelungen und Negativregelungen hinausgeht. Schließlich hat die Kammer ausgeführt, dass die Festlegung des Geltungsbereichs eines Tarifvertrags nicht über die Klauselkontrolle in Arbeitsverträgen kontrolliert werden kann. Danach ist eine Kontrolle der Arbeitsverträge am Maßstab des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes, der über die Kontrolle von Tarifverträgen hinausgeht, nicht gerechtfertigt. Dahinter steht die Tarifautonomie der Tarif-vertragsparteien aus Art. 9 Abs. 3 GG, die nicht über eine Kontrolle von Einzelverträgen über ein Maß hinaus, welches an die Tarifverträge selbst angelegt wird, eingeschränkt werden kann.
Es laufen noch einige Verfahren, zudem können die bereits unterlegenen Kläger noch Rechtsmittel einlegen. Wir werden also weiter berichten.
VI. Durchgehende Beschäftigung selbständiger Gastsolisten
Zurzeit sind an verschiedenen Sozial- bzw. Landessozialgerichten weiterhin Verfahren in die-ser sozialversicherungsrechtlichen Frage aufgrund von streitgegenständlich gewordenen Nachforderungsbescheiden der Deutschen Rentenversicherung anhängig. Zur Erinnerung: Das Bundessozialgericht hat mit Urteil vom 20.3.2013 (B 12 R 13/10 R) zuletzt höchstrichterlich entschieden, dass auch dann, wenn nur einzelne Veranstaltungen (Proben und Aufführungen) innerhalb eines Monats zwischen den Vertragsparteien vereinbart werden, dies sozi-alversicherungsrechtlich als „durchgehendes“ Beschäftigungsverhältnis jedenfalls dann ange-sehen wird, wenn die vertraglichen Vereinbarungen nicht erkennen lassen, dass der Gast in zeitlicher Hinsicht frei war. Dies sei nach Auffassung des BSG insbesondere dann der Fall, wenn der Gast sich in einer Art Dienstbereitschaft gegenüber dem Theater im Sinne einer jederzeitigen Disposition / Verfügungsbefugnis befinde und beispielsweise auch keine soge-nannten Sperrtermine vereinbart waren. Darauf hinzuweisen ist, dass es sich bei dieser Ent-scheidung des BSG vom 20.3.2013 um eine Einzelfallentscheidung handelt und bei dem sei-nerzeit zugrunde liegenden Sachverhalt insofern kritische Klauseln im Sinne einer solchen Dienstbereitschaft des Gastes angenommen wurden (vgl. hierzu aktuelle Rechtsprechung der LAG unter C.).
VII. Tarifvertragsauslegung: Große Choroper i.S.d. §§ 71 Abs. 3 b9, 79 Abs. 2 c) NV Bühne
Mehrere Opernchormitglieder hatten auf Feststellung einer Sondervergütungspflicht wegen Singens einer großen Choroper in fremder Sprache geklagt. Streitgegenständlich war das Werk „La belle Hélène“ von Jacques Offenbach. Der Chorvorstand war der Ansicht, hierbei handle es sich um eine große Choroper im Sinne des § 71 Abs. 3 Buchst. b NV Bühne i.V.m. § 79 Abs. 2 Buchst. c NV Bühne, wohingegen unser Mitglied die Auffassung vertrat, dass es sich um eine nicht dem Sondervergütungstatbestand unterfallende Operette handle.
Die Chormitglieder stützten sich insbesondere auf den Umfang der Gesangsleistung. Zudem sei das Werk auch vom Komponisten mit der Gattungsbezeichnung „opéra-bouffe“ versehen worden, was nicht der deutschen Operette entspreche. Abgesehen davon sei aber auch die Gattungsbezeichnung nicht ausschlaggebend, sodass auch bei Vorliegen einer Operette als Unterfall der Oper die Sondervergütungspflicht des § 79 Abs. 2 lit. C NV Bühne tatbestand-lich erfüllt sei. Obgleich nicht im Kloiber aufgeführt, sei dieses Werk nach der Protokollnotiz zu § 71 Abs. 2 lit. c NV Bühne nach den gleichen Maßstäben wie die dort gelisteten großen Choropern zu beurteilen. Nach Art und Umfang der französischen Chorpartie könne deshalb kein Zweifel bestehen, dass hier eine Sondervergütungspflicht bestehe. Zudem könne es nach Sinn und Zweck der Vorschrift keinen Unterschied machen, welcher Gattung das Werk zuzu-ordnen ist, da die Belastung der Mitwirkenden und der Mehraufwand bei Einstudierung und Aufführung in allen Fällen gleich groß sei.
Daneben machen die Chormitglieder einen Sondervergütungsanspruch nach § 79 Abs. 3 NV Bühne in Höhe von vier Tagesgagen wegen der Mitwirkung in Konzerten geltend. Nach die-ser Vorschrift erhält das Chormitglied eine angemessene Sondervergütung von einer bis zu vier Tagesgagen. Ein entsprechender Antrag war von unserem Mitglied zurückgewiesen wor-den, da die entsprechenden Chorsänger bereits in der Premierenserie der vorangegangenen Spielzeit an dem Konzert mitgewirkt hatten. Diese sind jedoch der Ansicht, mit der in der vergangenen Spielzeit angefallenen Vergütung könne nur der Aufwand für die Aufführungen und Proben abgedeckt werden, welche zum damaligen Zeitpunkt auch geplant und bekannt gewesen seien.
In der mündlichen Verhandlung hat der Vorsitzende darauf hingewiesen, dass nach Vorberei-tung des Schiedsgerichts vieles gegen eine Sondervergütung für „La belle Hélène“ spreche. Damit deutet das Gericht an, dass es unserer Ansicht folgen würde, dass entscheidend ist, ob es sich um eine Oper im musikwissenschaftlichen Sinn handelt (vgl. auch BAG, Urteil vom 01. Juni 2006 – 6 AZR 37/06 bzgl. der szenischen Kantate „Carmina burana“ von Carl Orff).
Auf dringendes Anraten des Gerichts schlossen die Parteien daraufhin dahingehend einen Vergleich, dass die Kläger jeweils eine Sondervergütung in Höhe von zwei Tagesgagen für die Mitwirkung an den Konzerten erhalten und das Verfahren damit seine Erledigung findet.
VIII. Geltendmachung von Leistungsschutzrechten durch die Bühnenvorstände
Nur der NV Bühne umfasst die Geltendmachung von Leistungsschutzrechten nach § 80 UrhG. Danach steht das Recht zur Verwertung mehreren ausübenden Künstlern, die gemein-sam eine Darbietung erbringen, ohne dass sich ihre Anteile gesondert bewerten lassen, diesen zur gesamten Hand zu. Bei der Geltendmachung der sich aus den §§ 77 UrhG (Aufnahme, Vervielfältigung und Vertreibung), 78 UrhG (Öffentliche Wiedergabe) und 79 Abs. 3 (Über-tragungsvertrag) ergebenden Rechte und Ansprüche ist demnach nach § 80 Abs. 2 UrhG iVm § 74 Abs. 2 Satz 2 UrhG der Bühnenvorstand gegenüber Dritten allein zur Verwertung befugt. Insofern statuiert § 51 Abs. 1 Satz 2 NV Bühne die Aktivlegitimation des Vorstands für das Verwertungsrecht an den im Rahmen des Arbeitsverhältnisses geschuldeten Leistungen. Gleiches gilt für die Orchestervorstände (vgl. § 57 TVK), die gleichfalls nach § 80 UrhG zur Geltendmachung von Leistungsschutzrechten für Musiker aktiv legitimiert sind. Dies betrifft insbesondere Rundfunkaufzeichnungen, aber auch Aufnahmen auf Bild- und Tonträger, soweit diese beispielsweise im Rahmen einer Musiktheaterproduktion von Musiklabeln einer Verwertung zugeführt werden sollen. Darauf hinzuweisen ist, dass unbedingt zu empfehlen ist, dass entsprechende Vereinbarungen mit den Bühnen- bzw. Orchestervorständen jeweils stets vor einem entsprechenden Projekt getroffen werden sollten, um spätere Probleme und Diskussionen über die Höhe von Vergütungsansprüchen der einzelnen Musiker im Realisierungsfall zu vermeiden.
Unser Mitglied ist mit anwaltlichem Schreiben auf Zahlung einer Sondervergütung für Rechteabgeltung nach § 9 TVK in Anspruch genommen worden. Bei den in Streit stehenden Darbietungen handelte es sich um eine CD-Aufnahme und einen Live-Mitschnitt im Radio, die jeweils von den Musikern des Orchesters gemeinsam erbracht wurden.
Es ist darauf hinzuweisen, dass dem Orchestervorstand gemäß § 57 Abs. 1 e) TVK die Gel-tendmachung von Leistungsschutzrechten bei von mehreren Künstlern gemeinsam erbrachten Darbietungen gem. § 88 Abs. 1 UrhG mit einer Vertretungsbefugnis zur gesamten Hand zu Gunsten des Vorstandes möglich ist. Durch die gesamthänderische Zuordnung und Ausübung der Vertretungsrechte wird insoweit die homogene Interessenwahrnehmung des Ensembles gewährleistet. Deshalb ist zu raten, sich bereits im Vorfeld, schon aus Gründen der Rechtssi-cherheit und der Praktikabilität gegenüber dem Vorstand der Verwertungsrechte zu versi-chern.
Nach § 9 Abs. 2 TVK ist die Mitwirkung bei Reportagesendungen des Hörfunks und des Fernsehens nicht gesondert zu vergüten. Dies gilt unabhängig von der Zeit, die zwischen der Aufzeichnung bzw. der Livewiedergabe und der Reportagesendung vergangen ist. Reportage-sendungen liegen vor, wenn die Wiedergabezeit sechs Minuten nicht übersteigt und nicht mehr als ein Viertel des Werks wiedergegeben wird.
Nach § 9 Abs. 3 TVK wird auch keine Sondervergütung gezahlt bei der Verwertung einer Aufnahme für den theater- und orchestereigenen Gebrauch des Arbeitgebers einschließlich der Nutzung als kostenloses oder gegen Schutzgebühr abgegebenes Werbemittel, mit dem zugunsten des Arbeitgebers oder seines Rechtsträgers geworben wird. So konnte aus Arbeit-gebersicht auch im vorliegenden Fall argumentiert werden: Vor dem Hintergrund, dass Wer-bemaßnahmen für die Arbeit des Orchesters und für die Anwerbung neuer Besucher äußerst wichtig sind, wurden die Maßnahmen von CD- und Funkaufnahmen mit dem Orchestervor-stand abgestimmt und vereinbart. In der heutigen Zeit, unter Einbeziehung neuer Medien, ist es dringend notwendig, auch dem jüngeren Publikum die sinfonischen Angebote näherzu-bringen.
C. Rechtsprechung
Aktuelles neues Urteil des LSG Sachsen-Anhalt vom 19.11.2015
Erstmalig hat nunmehr indessen das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt in seiner Entschei-dung vom 19.11.2015 (L 1 R 338/13) unter Hinweis auf diese Rechtsprechung des BSG in Bezug auf die Problematik einer dauernden durchgehenden entgeltlichen Beschäftigung von Gästen entschieden, dass eine solche sozialversicherungsrechtlich relevante Beschäftigung zwar die Probenphase, nicht jedoch den sich an die Premiere anschließenden Zeitraum bis zur letzten Vorstellung einer Inszenierung betrifft. Ebenso hat das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt klargestellt, dass es sich bei der Entscheidung des BSG vom 20.3.2013 nur um eine Einzelfallentscheidung handelt und die im Rahmen der Besprechungen der Spitzen-verbände der Sozialversicherungsträger über Fragen des gemeinsamen Beitragseinzugs zur Versicherungspflicht von gastspielverpflichteten Künstlern vorgenommenen Einschätzungen für die Sozialgerichte bei der Beurteilung im Einzelfall nicht bindend sind. Maßgebend ist hier vielmehr das Vertragsverhältnis der Beteiligten, wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt, soweit ihm die tatsächlich gelebte Beziehung nicht rechtlich zulässig entgegensteht. Die offensichtliche Praxis der Deutschen Rentenversicherung, das BSG-Urteil von 2013 weiterhin pauschal auf alle Sachverhalte zu übertragen, widerspricht daher der Rechtslage. Nach dem BSG ist für die Sozialversicherungspflicht der Gastkünstler ent-scheidend, ob zwischen den Vorstellungen eine Art Dienstbereitschaft entstand. Dazu ist ein einseitiges Zugriffsrecht des Theaters zwischen den Vorstellungen entscheidend. Besteht kein solches Zugriffsrecht, ist von einer rechtmäßig abgerechneten tageweisen Beschäftigung für die einzelnen Aufführungstage auszugehen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn es den Gastkünstlern in der übrigen Zeit freistand, sich anderweitig zu verpflichten und / oder in den einzelnen Gastverträgen sogenannte Sperrtermine vereinbart wurden.
D. Exkurs
I. Möglichkeiten bei vertragsbrüchigem Arbeitnehmer wegen Nichteinhaltung der Kün-digungsfrist
Anhand des folgenden Beispiels soll einmal gezeigt werden, welche (theoretischen) Möglich-keiten der Abreitgeber bei vertragsbrüchigem Verhalten eines Arbeitnehmers hat: Ein Mitglied hatte einen für eine Spielzeit befristeten Vertrag mit einer Orchestermusikerin geschlossen. Nachdem diese ein Probespiel für eine feste Stelle gewonnen hatte, wollte sie sich von dem befristeten Vertrag lösen.
Eine Kündigung des befristeten Arbeitsverhältnisses ist allerdings, wenn diese Möglichkeit nicht ausdrücklich in dem Vertrag vorgesehen ist, nicht möglich (vgl. § 15 TzBfG). Im schlimmsten Fall ist aus Arbeitgeberseite damit zu rechnen, dass die Musikerin einfach nicht mehr zum Dienst erscheint. Damit würde sie vertragsbrüchig.
Fraglich ist jedoch, welche Optionen dem Arbeitgeber in einem solchen Fall bleiben, wenn der Arbeitnehmer vertragsbrüchig wird. Zwar hat der Arbeitgeber einen Anspruch auf Ar-beitsleistung, ein entsprechendes Urteil ist jedoch gemäß § 888 Abs. 2 ZPO nicht vollstreck-bar. Ferner ist der Arbeitgeber nicht zur Fortzahlung der Vergütung verpflichtet, soweit der Arbeitnehmer seine Arbeitsplicht nicht erfüllt. Der Arbeitgeber kann den Arbeitnehmer schließlich abmahnen und ggf. kündigen. Ein Vertragsstrafenanspruch besteht bei einer ent-sprechenden Vereinbarung. Dem Grunde nach besteht auch ein Schadensersatzanspruch. Der Arbeitgeber muss jedoch einen konkreten Schaden und die Kausalität nachweisen. Ein mögli-cher ersatzfähiger Schaden liegt in der Differenz zwischen den Kosten des Arbeitgebers für eine Ersatzkraft und der Vergütung einschließlich Arbeitgeberanteilen zur Sozialversicherung des Arbeitnehmers, der einen Vertragsbruch begangen hat (vgl. BAG, Urteil vom 09. Mai 1975 – 3 AZR 352/74).
Folglich sind die Handlungsmöglichkeiten bei Vertragsbruch für den Abreitgeber relativ be-grenzt. Der einzig „attraktive“ Schadensersatzanspruch setzt voraus, dass nachgewiesenerma-ßen eine Ersatzkraft beschafft werden konnte, deren Vergütung höher ist als die gesparte Ver-gütung für den vertragsbrüchigen Arbeitnehmer.
II. Nichtverlängerungsmitteilung auch bei Befristungsgrund außerhalb NV Bühne
In unserer letzten Mitteilung hatten wir bereits den Schiedsspruch des Bühnenschiedsgerichts für Opernchöre vom 16.01.2015 – BSchG C 6/14 F – zur Notwendigkeit einer Nichtverlänge-rungsmitteilung bei mindestens für ein Jahr (Spielzeit) abgeschlossenen Verträgen auch im Falle eines Befristungsgrundes außerhalb des NV Bühne besprochen. Da diese Frage erneut bei einem Mitglied aufgekommen ist, welches eine Vertretung wegen Mutterschutzes und Elternzeit engagieren wollte, wollen wir Sie an dieser Stelle auf den aktuellen Stand bringen: Das Arbeitsgericht Köln hat die erwähnte Entscheidung des Bühnenschiedsgerichts für Opernchöre bestätigt. Mittlerweile ist das Verfahren vor dem LAG Köln anhängig. Zudem machen wir Sie darauf aufmerksam, dass es im Tarifausschuss Überlegungen gibt, die Fälle von Vertretungsgründen außerhalb des NV Bühne aus dem Anwendungsbereich der Nichtverlängerungsmitteilung auszunehmen. Wir werden Sie bzgl. dieser Problematik weiter auf dem Laufenden halten.
Hamburg, im September 2016
Joachim Benclowitz