LVM Oktober 2018

Mitteilung Nr. 61 des Landesverbandes Nord im Deutschen Bühnenverein 

V.i.S.d.P.: Geschäftsführer Dr. Joachim Benclowitz, Fachanwalt für Arbeitsrecht

 

Nr. 61 Oktober 2018

 

A. Neue Gesetze
Schutz von Betriebsgeheimnissen in der digitalen Arbeitswelt

 B. Aktuelle Fälle
I. Schleswig-Holsteinisches Landestheater wegen Änderungsmitteilung
II. Hamburger Staatsoper wegen Gastvertrag

C. Aktuelle Rechtsprechung zur Druckkündigung
I. Urteil des BAG vom 18. Juli 2013 – 6 AZR 420/12 –
II. Urteil des BAG vom 19. Juli 2016 – 2 AZR 637/15 –
III. Urteil des BAG vom 15. Dez. 2016 – 2 AZR 431/15 -

 D. Exkurs
Me-too – Was tun beim Vorwurf sexueller Belästigung am Arbeitsplatz?

 

A. Schutz von Betriebsgeheimnissen in der digitalen Arbeitswelt
In Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/943, die bereits ab jetzt unmittelbare Wirkung entfaltet, wird derzeit ein neues Stammgesetz zum Schutz von Ge-schäftsgeheimnissen (GeschGehG) vom Gesetzgeber geschaffen. Nach dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung ist Gesetzesziel der Schutz vor rechts-widriger Erlangung, Nutzung und Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen. Nach dem Gesetzesentwurf (§ 1) bleiben durch das neue Stammgesetz insbe-sondere berufs- und strafrechtlicher Schutz i.S.v. § 203 StGB sowie die Aus-übung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit nach der Charta der Grundrechte der Europäischen Union unberührt. Ungeklärt ist noch die neue Definition von Geschäftsgeheimnissen, insbesondere die Frage, ob damit eine neue, strengere Definition eingeführt wird. Die neue Definition des Geschäftsgeheimnisses nach § 2 des Regierungsentwurfs lautet:

„Eine Information, die
• weder insgesamt noch der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne weiteres zu-gänglich ist und daher von wirtschaftlichem Wert ist und
• Gegenstand von den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungs-maßnahmen durch ihren rechtmäßigen Inhaber ist.“

Damit ist insbesondere unklar, was unter „angemessenen Geheimhaltungs-maßnahmen“ zu verstehen ist, sprich: ob der Geheimnisschutz durch dieses Gesetz verbessert oder verschlechtert wird. Ebenso ist ungeklärt die Einord-nung in das bestehende Rechtssystem, insbesondere den Urheberrechtsschutz (Veröffentlichungstheorie) oder Wettbewerbsrecht. Der Fokus des neuen Geheimnisschutzes scheint eher wirtschaftsföderativ zu sein und zwar in Gestalt eines neuen „quasi“ „intellectual property right“.

Nach dem Gesetzestext des § 2 (Regierungsentwurfs) existiert eine denkbar niedrige Entstehungsvoraussetzung für den Geheimnisschutz, irrelevant scheint insbesondere hierfür etwa die Erfindungshöhe (so im Patentrecht), Schutzfähigkeit bzw. Unterscheidungsfähigkeit (Markenschutzrecht) und insbesondere auch die Kreativitätshöhe (Urheberrecht) im Sinne einer eigenen geistigen Schöpfung zu sein.

Es bleibt also abzuwarten, wie sich die Rechtsprechung zu der Einordnung dieses Gesetzes – so auch im Bereich des „Kunstbetriebs“ Theater – hinsichtlich der Weitergabe von „Geschäftsgeheimnissen“ positioniert bzw. welche „Schwelle“ hierfür erst überschritten sein muss.

Also was tun?
Mit dem Erfordernis angemessener Geheimhaltungsmaßnahmen wird aktives Handeln zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen notwendig. Da der in den nationalen Gesetzen verwendete Begriff „Betriebs- und Geschäftsgeheimnis“ darüber hinaus für eine Auslegung aufgrund der Ambiguität des Wortlauts offen ist, muss das Merkmal durch Richtlinien konforme Auslegung in allen nationalen Regelungen hineingelesen werden. Soweit auch in Bühnenunternehmen Geheimhaltungsinteressen bestehen, müsste festgelegt werden, welche Personen für bestimmte Geschäftsgeheimnisse zuständig bzw. verantwortlich sind und dann – nach dem Grad der Geheimhaltungsbedürftigkeit – überlegt werden, wie ggf. durch Kontrollmaßnahmen vertrauliche Informationen gesichert werden können. Soweit Geheimhaltungsvereinbarungen, z.B. einzelarbeitsvertraglich, geschlossen werden (z.B. bei Sängergagen) stellt sich zudem aufgrund von Betriebsratsrechten und Regelungen des BGB einschließlich denen des Datenschutzes die Frage der Wirksamkeit. Unklar ist auch das Verhältnis zum sogenannten „whistle-blowing“, soweit ein Arbeitnehmer etwa Missstände im eigenen Unternehmen gegenüber internen oder externen Stellen offenlegt (s. auch D. Exkurs unten), da nach der aktuellen Rechtslage in Deutschland ein Vorrang innerbetrieblicher Abhilfe gilt, soweit diese dem Arbeitnehmer im Einzelfall zumutbar ist, bestehen also Unsicherheiten auch für den Arbeitnehmer, will er nicht Sanktionen wie gar eine Kündigung deshalb riskieren, weil er gem. § 241 Abs. 2 BGB nicht auf die Rechte und Rechtsgüter sowie Interessen des Arbeitgebers Rücksicht genommen hat. Dennoch wirkt sich die whistle-blowing-Regelung in der neuen Richtlinie (Art. 5 lit. b RL 2016/93 EU) insofern auf der anderen Seite positiv auf den bestehenden nationalen whistle-blower-Schutz aus. Erstmals ist nämlich jetzt in einem nationalen Gesetz die zivilrechtliche Kodifizierung eines whistle-blower-Schutzes durch die Umsetzung der Richtlinien beabsichtigt.

 

B. Aktuelle Fälle zur Druckkündigung

I. Schleswig-Holsteinisches Landestheater wegen Änderungsmitteilung
Bühnenschiedsgericht Hamburg BSchG 29/18
In o.g. Angelegenheit ist gegenüber einem auf Basis des NV Bühne beschäftigten „Studienleiters und stellvertretenden 1. Kapellmeister“ – eine sogenannte Änderungsmitteilung verbunden mit dem Angebot zukünftig als Verantwortlicher für Aufführungsmaterial des Musiktheater- und Konzertbetriebes“ unter gleichzeitiger Reduzierung der Gage ausgesprochen worden. Gegen diese Nichtverlängerungsmitteilung ist vor dem Bezirksbühnenschiedsgericht Hamburg Klage erhoben worden. Zwischen den Parteien im Streit war die Frage, ob eine ordnungsgemäße Nichtverlängerungsmitteilung erfolgte, insbesondere dem Bühnenmitglied in Gestalt des Vertragsangebots sämtliche Veränderungen der Tätigkeit sowie der neuen Vergütung mit hinreichender Bestimmtheit dargelegt wurden. Der Rechtsstreit endete durch Vergleich.

§ 61 Abs. 3 NV Bühne normiert zunächst die Verpflichtung des Arbeitgebers, dem Bühnenmitglied im Rahmen eines Änderungsangebots alle zu ändernden Bedingungen, insbesondere sämtliche Veränderungen der Tätigkeit einschließlich der neuen Vergütung möglichst bestimmt genug mitzuteilen (§ 61 Abs. 3 NV Bühne). § 61 Abs. 3 NV Bühne erlaubt insbesondere die Vertragsfortsetzung unter anderen Vertragsbedingungen bei demselben Arbeitgeber, ohne die Änderungen inhaltlich näher einzuschränken. Die Vorschrift dient in erster Linie dem Bestandsschutz des Arbeitsverhältnisses. Der Inhaltsschutz ist dahingehend darauf beschränkt, dessen Aushöhlung durch entsprechende Arbeitsbedingungen zu vermeiden. Deshalb verlangt die Rechtsprechung, dass das Verhältnis von Entgelt und Leistung korrekt und die Existenz des Arbeitnehmers gesichert sein muss (vgl. Bühnenschiedsgericht Berlin, Urteil vom 26.11.1992 – 7/92 – AP Nr. 46 zu § 611 BGB Bühnenengagementsvertrag). § 61 Abs. 3 NV Bühne verlangt nicht zwingend, dass dem Bühnenmitglied eine künstlerische Tätigkeit angeboten werden muss. Insbesondere muss die neue Tätigkeit nicht in den Anwendungsbereich des NV Bühne fallen. Für derartige Einschränkungen liefert § 61 NV Bühne keine Anhaltspunkte (so die ständige Rechtsprechung, vgl. nur LAG Köln, Urteil vom 15.4.2014 – 3 Sa 204/15). Das Schiedsgericht hat deutlich gemacht, dass die Frage der Zumutbarkeit eines Änderungsangebots stets eine Einzelfallentscheidung sei, so sei die angebotene Tätigkeit als „Verantwortlicher für Aufführungsmaterial des Musiktheater- und Konzertbe-triebs“ grundsätzlich auch geeignet, einem Mitarbeiter mit musikalischer Tätig-keit anzusinnen. Bei der Einrichtung eines Archivs und der Überprüfung des Notenmaterials auf dessen Spielbarkeit würden Erfahrungen als Musiker durchaus hilfreich sein. Ebenso gehen diese Tätigkeiten weit über eine Verwaltungstätigkeit hinaus, so dass sogar von einem künstlerischen Bezug dieser Tätigkeiten gesprochen werden könne. Nach Auffassung des Bühnenschiedsgerichts Hamburg sei jedoch auch notwendig, dass das Bühnenmitglied aufgrund der Bezeichnung im Änderungsangebot genau Gewissheit über Inhalt und Art der geschuldeten Tätigkeiten hat, was das Gericht bei diesem Angebot als fraglich angesehen hat, weil die abzuverlangenden Tätigkeiten nicht im Einzelnen im Vertragsangebot, beispielsweise als Anlage, beschrieben wurden. Aufgrund dieser Unsicherheiten hinsichtlich der Ordnungsgemäßheit des Änderungsangebots erfolgte dann eine gütliche Beilegung des Konflikts.

 Wichtiger Hinweis!
Nach einem sehr aktuellen Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 2.8.2017 (7 AZR 601/15) ist bei sogenannten Änderungsmitteilungen zu beachten, dass das BAG immer dann, wenn dem Bühnenmitglied in Abweichung von den in § 1 Abs. 3 NV Bühne definierten Tätigkeitsgruppen – hier: Maskenbildner - einzelarbeitsvertraglich ein gegenüber dem „Leitbild“ des Tarifvertrages nur eingeschränkter Leistungsumfang zukünftig abverlangt werden soll, zu prüfen ist, ob die angebotene Tätigkeit (Vertragsangebot) auch tatsächlich eine überwiegend künstlerische Tätigkeit im Sinne des Künstlervorbehalts darstellt (vgl. zum Künstlervorbehalt insbesondere BAG, Urteil vom 28.1.2009, 4 AZR 987/07). In der BAG-Entscheidung vom 2.8.2017 ist nämlich einer Maskenbildnerin insbesondere unter der Rubrik „Besondere Vereinbarungen“ angetragen worden, dass die von ihr geschuldeten Leistungen im Rahmen der Gagenanpassung auf nur bestimmte vertraglich genannte „einfacheren“ Aufgaben beschränkt sind. Zwar hat das BAG zunächst betont, dass § 69 Abs. 3 NV Bühne das Bühnenmitglied nicht vor einer Beschränkung seiner künstlerischen Entfaltungsmöglichkeiten schützt, die mit einer solchen Vertragsänderung verbunden sind (Rn. 34), allerdings setze die Wirksamkeit der Nichtverlängerungsmitteilung voraus, dass die vorgesehene Änderung der Arbeitsbedingungen billigem Ermessen i.S.v. § 315 BGB entspricht. Dazu müssen die Gründe, die den Intendanten zur Abgabe der Nichtverlängerungsmitteilung veranlasst haben, im Einklang mit der Änderung des Vertragsinhalts stehen. Verstoßen die geänderten Arbeitsbedingungen gegen zwingende gesetzliche oder zwingen anwendbare Normen, muss der Arbeitnehmer die Änderung der Arbeitsbedingungen billigerweise nicht hinnehmen. Dies sei der Fall, wenn die vorgesehene Tätigkeit als Mas-kenbildnerin einen eingeschränkten Leistungsumfang verbunden mit einer Vergütungskürzung enthalte. Ebenso sei zu prüfen, ob die Maskenbildnerin nach den geänderten Vertragsbedingungen überwiegend künstlerisch beschäftigt wird und ob die angebotene Befristung des Arbeitsvertrages wirksam ist. Dies sei aufgrund § 14 Abs. 1 TzBfG (Sachgrundbefristung) wegen der Einschätzungsprärogative der Tarifvertragsparteien aber nur der Fall, wenn die an die Maskenbildnerin herangetragenen Tätigkeiten unter § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG (Eigenart der Arbeitsleistung) im Sinne einer überwiegend künstlerischen Tätigkeit bewertet werden können (Rn. 46). Ob ein Arbeitnehmer künstlerisch tätig ist, beurteile sich danach, ob und in welchem Umfang er nach der vertraglich geschuldeten Tätigkeit an der Umsetzung des künstlerischen Konzepts mitwirkt und damit auch die Umsetzung des Konzepts beeinflussen kann. Nur dann sei die Befristung im Hinblick auf die verfassungsrechtlich garantierte Kunstfreiheit des Arbeitgebers sachlich gerechtfertigt.

Beachte:
Die Vereinbarung einer überwiegend künstlerischen Tätigkeit im Arbeitsvertrag einer Maskenbildnerin i.S.v. § 62 Abs. 3 Satz 2 NV Bühne (ohne Beschränkungen der zu erbringenden Leistungen) ist jedoch geeignet, die Befristung des Arbeitsvertrages wegen der Eigenart der Arbeitsleistung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG zu rechtfertigen, wie das BAG in einer aktuellen Entscheidung vom 13.12.2017 (7 AZR 369/16) insbesondere in Anknüpfung an die zuvor hierzu ergangenen BAG-Entscheidungen vom 28.1.2009 (4 AZR 987/07) und vom 25.2.2009 (7 AZR 942/07) noch einmal klargestellt hat. Materiell-rechtlich führt somit allein die Vereinbarung der Vertragsparteien, dass eine überwiegend künstlerische Tätigkeit geschuldet sei, dazu, dass die Befristung wegen der Eigenart der Arbeitsleistung gerechtfertigt ist, soweit es sich um die in § 1 Abs. 3 NV Bühne enumerativ angeführten sogenannten gekorenen Bühnentechniker handelt.

 II. Hamburger Staatsoper wegen Gastvertrag
– BSchG 26/17 -

Als Sachverhalt lag diesem Rechtsstreit ein Gastvertrag des Werkes „Lulu“ zu-grunde, in welchem die Parteien für die Partie des Schigloch Proben- und Vor-stellungstermine vereinbart hatten. Im Zusammenhang mit der Frage, ob der Gast anstatt zu einer 3-aktigen Aufführung auch zu einer 2-aktigen Aufführung des Werkes herangezogen werden kann, teilte der Agent des Gastes der Oper schließlich mit, dass es für ihn keine Option ist, in der 2-aktigen Fassung des Werkes „Lulu“ aufzutreten und erbat die Annullierung (Auflösung) des Vertrages. Später vertrat der Gast sodann die Ansicht, dass sein Agent nicht Vertretungsmacht zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages gehabt habe und klagte vor dem Landgericht (Zivilkammer) auf Zahlung der ursprünglich vereinbarten Gage.

Aufgrund der im Gastvertrag vereinbarten Bühnenschiedsgerichtsbarkeit erhob die Oper zunächst die Einrede der Bühnenschiedsgerichtsbarkeit gem. § 102 Abs. 1 ArbGG mit der Begründung, dass der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten deshalb als nicht gegeben angesehen werden muss, weil der „Gast“ zumindest als eine Arbeitnehmer ähnliche Person i.S.v. § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG angesehen werden müsse, mit der Folge, dass die Arbeitsgerichte in Gemäßheit des § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. b ArbGG zuständig sind.

Die Oper hatte u.a. vorgetragen, dass die Proben und Aufführungszeiten vor-gegeben seien und es allein der Oper zugestanden habe, diese innerhalb des Vertragszeitraums zu ändern, folglich Weisungsgebundenheit bestand. Für den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten genüge bereits eine Qualifikation des Rechtsverhältnisses als Arbeitnehmer ähnlich, weshalb nach § 53 NV Bühne das Bühnenschiedsgericht für alle behördlichen Rechtsstreitigkeiten i.S.d. § 2 ArbGG als zuständig anzusehen sind. Insbesondere sei auch eine zulässige Schiedsgerichtsvereinbarung gem. § 101 Abs. 2 Satz 1 ArbGG getroffen wor-den.

Das Landgericht Hamburg folgte der Rechtsauffassung der Oper und erklärte den zu den ordentlichen Gerichten beschrittenen Rechtsweg als unzulässig und verwies diesen an das zuständige Arbeitsgericht Hamburg, das dem Gast schließlich nahelegte, das Verfahren vor dem zuständigen Bezirksbühnen-schiedsgericht Hamburg fortzuführen.

Das Bühnenschiedsgericht gab der Oper schließlich darin Recht, dass der Agent des Gastes tatsächliche Abschlussvollmacht auch für einen Aufhebungsvertrag hatte, da sämtliche Kommunikation hinsichtlich der Vertragsgestaltung auch schon über den Agenten lief und Gründe, an einem entsprechenden Bindungswillen des Gastes in Gestalt von Erklärungen seines Agenten zu zweifeln, nach dem zugrunde liegenden Sachverhalt nicht ersichtlich waren.

Wird somit ein Gast von seinem Agenten vertreten, ist nach Auffassung des Bezirksbühnenschiedsgerichts Hamburg davon auszugehen, dass dieser auch für Vertragsangelegenheiten einschließlich deren Eingehung und Beendigung auch Vertretungsmacht hat (§ 164 Abs. 1 BGB). Willensäußerungen des Agenten muss sich somit der Gast anrechnen lassen.

In Theatern und Opernkreisen ist es zudem ständige und seit Jahrzehnten geübte Praxis, dass sich Künstler von Agenturen vertreten lassen, mit denen die Theater und Opernhäuser voll umfänglich verhandeln.

 Arbeitgeber-Tipp!
Bei Zweifeln über den Umfang von Handlungsvollmachten von Agenten emp-fiehlt es sich, von der Agentur eine entsprechende Bestätigung weitgehender Handlungsvollmachten zu erbitten. Ansonsten entspricht es, wie ausgeführt, der üblichen Praxis, dass sich Künstler durch die Vergabe weitgehender Handlungsvollmachten von ihren jeweiligen Agenturen komplett gegenüber dritten Vertragspartnern abschirmen lassen möchten, dem Theater aber der Einblick in die konkrete Ausgestaltung des Verhältnisses Künstler / Agent nicht gegeben ist, so dass sich dieses auf die Absprachen mit der Agentur in der Regel verlassen können muss. Anlass zu einer Klärung besteht nicht, wenn, wie im oben entschiedenen Fall, wenn sich der Künstler seit sehr langer Zeit ausschließlich von einem bestimmten Agenten hat vertreten lassen (vgl. hierzu auch Handbuch der Musikwirtschaft, Moser/Scheuermann, S.463).

 

C. Aktuelle Rechtsprechung zur Druckkündigung

I. Urteil des BAG vom 18. Juli 2013 – 6 AZR 420/12 -

Das BAG hat interessante Urteile zur sogenannten Druckkündigung erlassen. Eine Druckkündigung liegt vor, wenn Dritte unter Androhung von Nachteilen für den Arbeitgeber von diesem die Entlassung eines bestimmten Arbeitnehmers verlangen. Fehlt es an einer objektiven Rechtfertigung der Drohung durch Personen oder verhaltensbedingte Gründe, so kommt hier insbesondere eine Kündigung aus betriebsbedingten Gründen gem. § 1 Abs. 2 KSchG in Betracht. An die Zulässigkeit einer solchen „echten“ Druckkündigung sind allerdings nach dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung strenge Anforderungen zu stellen. So hat sich der Arbeitgeber nach dem BAG zunächst schützend vor den betroffenen Arbeitnehmer zu stellen. Nur wenn auf diese Weise die Drohung nicht abgewendet werden kann und bei Verwirklichung der Drohung schwere wirt-schaftliche Schäden für den Arbeitgeber zu befürchten sind, kann die Kündi-gung sozial gerechtfertigt sein. Die Kündigung muss das einzig praktisch in Betracht kommende Mittel sein, um die Schäden abzuwenden.

  II. Urteil des BAG vom 19. Juli 2016 – 2 AZR 637/15 –

Wiederum mit der sogenannten Druckkündigung hat sich das BAG in diesem jüngeren Urteil vom 19.7.2016 beschäftigt. Auch in dieser Entscheidung hat das BAG wiederum seine Auffassung bestätigt, wonach eine „echte“ Druckkündigung vorliege, wenn ein Dritter unter Androhung von Nachteilen für den Arbeitgeber die Entlassung eines bestimmten Arbeitnehmers verlangt, obwohl in dessen Verhalten oder Person keine Umstände vorliegen, die objektiv als Kündigungsgrund geeignet wären. Das BAG bestätigt, dass eine solche Kündigung an strenge Voraussetzungen gebunden ist. Sie kommt nur in Betracht, wenn sich der Arbeitgeber zunächst schützend vor den Betroffenen gestellt und - erfolglos – alles Zumutbare unternommen hat, um den Dritten von seinem Verlangen abzubringen. Die Obliegenheit des Arbeitgebers, sich schützend vor den betroffenen Arbeitnehmer zu stellen, verlangt von ihm ein aktives Handeln, das darauf gerichtet ist, den Druck abzuwehren. Dieser Vorgabe genügt es nicht allein dadurch, dass er Gespräche zwischen den Arbeitnehmern und dem Druck ausübenden Dritten vermittelt. Das Unterlassen eines Angebots auf Durchführung einer Mediation habe jedenfalls dann keinen Einfluss auf die Wirksamkeit einer Druckkündigung, wenn der Arbeitgeber aufgrund ihm im Kündigungszeitpunkt bekannter Umstände annehmen durfte, eine der Konfliktparteien werde sich der freiwilligen Teilnahme an einem Mediationsverfahren ohnehin verschließen.

 

III. Urteil des BAG vom 15. Dez. 2016
– 2 AZR 431/15 -

Auch in dieser Entscheidung zur Druckkündigung hat das BAG klargestellt, dass die Kündigung das einzig praktisch in Betracht kommende Mittel sein muss, um schwere wirtschaftliche Schäden abzuwenden. Es hat u.a. auch ausgeführt, dass Arbeitnehmer, die ihre Arbeit verweigern, weil der Arbeitgeber einem – unberechtigten – Kündigungsverlangen nicht nachkommt, ihre arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten verletzen. Es sei dem Arbeitgeber stets zumutbar, sie darauf hinzuweisen, dass ihr Verhalten einen schwerwiegenden, nach Abmahnung ggf. zur Kündigung berechtigenden Vertragsbruch darstellt und ihnen für die ausfallende Arbeit kein Entgelt zusteht.

 

Fazit:
Aus all diesen drei Entscheidungen des BAG folgt, dass Druckkündigungen – so also insbesondere auch in Bühnenunternehmen beispielsweise aufgrund cholerischen bzw. übergriffigen Verhaltens von künstlerischem Führungspersonal – nur unter sehr strengen Voraussetzungen möglich sind. Die Rechtsprechung verlangt danach die Verpflichtung des Arbeitgebers, entsprechenden Forderungen von Mitarbeitern entgegenzuwirken.

Allerdings ist zu beachten, dass § 104 Satz 1 BetrVG, wie ein weiteres Urteil des BAG vom 28.3.2017 (2 AZR 551/16) klarstellt, einen eigenen Anspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber auf Entlassung oder Versetzung ei-nes Arbeitnehmers normiert. Vor dem Hintergrund der me-too-Debatte, die mit dem Jahresbeginn in Gestalt von Berichten über sexuelle Belästigungen in der Filmindustrie Schub erfuhr, hat diese Rechtsprechung somit vor allem dann eine hohe Relevanz, soweit seitens des Arbeitgebers im Falle entsprechender Übergriffe am Arbeitsplatz keine verhaltensbedingte Maßnahmen (sprich: verhaltensbedingte Kündigungen gem. § 626 BGB) wegen Beweisschwierigkeiten zur Verfügung stehen (vgl. auch hierzu Exkurs „me-too“).

 

D. Exkurs

Me-too – Was tun beim Vorwurf sexueller Belästigung am Arbeitsplatz?

Bereits mit Verabschiedung des Beschäftigtenschutzgesetzes (BeschSchG) und daran anschließend mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) hat der Gesetzgeber die besondere Problematik sexueller Belästigung am Arbeitsplatz erkannt und spezielle Regelungen zum Schutz der Beschäftigten geschaffen. Aber erst seit „Me-too“ findet eine verstärkte Sensibilisierung für dieses Thema auch im Arbeitsalltag der Theater und Orchester statt. Ungeachtet der lautstark und emotional geführten öffentlichen Debatten stellt sich für die Akteure im Arbeitsleben stets die Frage: Was tun beim Vorwurf sexueller Belästigung am Arbeitsplatz? Arbeitgeber geraten durch den Vorwurf sexueller Belästigung am Arbeitsplatz in eine Konfliktlage, die auch ein erhöhtes Haftungsrisiko begründet. Dieser Beitrag ist ein Versuch, konkrete Leitlinien für ein Erfolg versprechendes Vorgehen an die Hand zu geben:

1. Ermittlung des Sachverhalts

Wird der Vorwurf einer sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz erhoben, begründet dies zunächst eine Pflicht des Arbeitgebers, den Sachverhalt eigenständig zu ermitteln. Die Sachverhaltsfeststellung ist unabdingbare Voraussetzung dafür, dass der Arbeitgeber in einem zweiten Schritt über die zu treffenden Maßnahmen entscheiden kann. Sie bildet die spätere Entscheidungsgrundlage für den Arbeitgeber. Dazu sind Antworten auf 3 Fragen zu finden:

(1) Hat eine sexuelle Belästigung stattgefunden?
(2) Welche Umstände waren ursächlich dafür, dass es zu einer sexuellen Belästigung gekommen ist?
(3) Wie ist die Schwere des Vorfalls einzuordnen?

Die Aufklärung des Sachverhaltes beginnt zweckmäßiger Weise mit einem ausführlichen Interview mit der belästigten Person. Dies ist nicht nur für die Beurteilung der Schwere der Tat (es liegt zum Beispiel auf der Hand, dass strafbares Verhalten eine andere Reaktion erfordern kann als bloße Aufdringlichkeit), sondern auch im Hinblick auf einen späteren Abgleich mit der Version der beschuldigten Person notwendig. Im Anschluss an dieses Gespräch hat der Arbeitgeber die beschuldigte Person mit den Vorwürfen zu konfrontieren und ihr Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Dieses Gespräch kann zugleich als Anhörung des Arbeitnehmers zur Verdachtskündigung dienen.

Da erfahrungsgemäß beschuldigte Arbeitnehmer das ihnen vorgeworfene Verhalten nur selten umfassend eingestehen, sind folgende fünf „goldenen Regeln“ für die Ermittlungen zu beachten:

(1) Der Arbeitgeber sollte im Rahmen der Ermittlungen möglichst alles wört-lich protokollieren.
(2) Alle Ermittlungsschritte, auch Zwischenergebnisse, sollten umfassend dokumentiert werden.
(3) Der Kreis der in die Ermittlungen einbezogenen Personen sollte mög-lichst klein gehalten werden (dies ist bereits aus personalpolitischen Gründen geboten, weil das Bekanntwerden des Vorwurfs einer sexuellen Belästigung das Ansehen der beschuldigten und der belästigten Person beschädigen kann, darüber hinaus aber auch Schadenersatzverpflichtungen auszulösen vermögen).
(4) Ermittlungen sind zügig und mit der notwendigen Priorität durchzuführen, da ansonsten wegen der Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB die Gefahr besteht, dass der Arbeitgeber sein Kündigungsrecht verwirkt. Solange der Kündigungsberechtigte die zur Aufklärung des Sachverhalts nach pflichtgemäßem Ermessen notwendig erscheinenden Maßnahmen zügig durchführt, ist die Ausschlussfrist gehemmt.
(5) Bei komplizierten Sachverhalten oder schwierigen Fragestellungen ist anwaltlicher Rat einzuholen (z.B. wegen geschilderter Restrisiken des § 626 Abs. 2 BGB (Ausschlussfristen)).

§ 12 Abs. 3 AGG fordert schließlich, dass Maßnahmen des Arbeitgebers im Fall einer sexuellen Belästigung geeignet, erforderlich und angemessen sind und nennt beispielshaft Abmahnungen, Umsetzung, Versetzung oder Kündi-gung als mögliche Sanktionen. Da der Arbeitgeber nach § 15 Abs. 1 und 2 AGG von der belästigten Person auf Schadenersatz und Entschädigung in Anspruch genommen werden kann, ist also auch im Lichte dieser Schadenersatzrisiken darauf zu achten, eine „ausreichende“ Maßnahme zu ergreifen. Nach BAG sind nur solche Maßnahmen als geeignet anzusehen, von denen der Arbeitgeber annehmen darf, dass sie die sexuelle Belästigung für die Zukunft abstellen, d.h. eine Wiederholung ausschließen (BAG, NZA 2011, 1342 = AP BGB § 626 Nr. 236 Rn. 28).

Zu beachten ist, dass eine Kündigung nicht nur dann ausgesprochen werden kann, wenn die Tat erwiesen ist, sondern schon bei Vorliegen eines dringenden Tatverdachts. Im Lichte der Schutzpflichten aus § 12 Abs. 3 AGG wird der Arbeitgeber aufgrund der umfangreichen Handlungspflichten, die mit eigenen haftungsrechtlichen Risiken verbunden sind, vor eine schwierige Situation gestellt. Arbeitgeber sind dabei gut beraten, sich anwaltlich beraten zu lassen und nicht emotional, sondern den rechtlichen Vorgaben entsprechend, zu agieren.

Hamburg, den 5. Okt. 2018

Dr. Joachim Benclowitz
Rechtsanwalt | Fachanwalt für Arbeitsrecht
Geschäftsführer | LV Nord | Deutscher Bühnenverein