Mitteilung Nr. 70 des Landesverbandes Nord im Deutschen Bühnenverein
V.i.S.d.P.: Geschäftsführer Dr. Joachim Benclowitz, Fachanwalt für Arbeitsrecht
Nr. 70 Juni 2025
Aktuelles
Folgen des Beschäftigungsverbots nach Urlaubsfestlegung
Es geht um die Frage, ob ein bereits bewilligter Urlaub aufgrund eines Beschäftigungsverbots in der Mutterschutzfrist und anschließenden Stillzeit angerechnet werden kann.
In seinem Urteil vom 9. August 2016 (9 AZR 575/15) entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG), dass entsprechend § 17 Satz 2 Mutterschutzgesetz (MuSchG) eine Arbeitnehmerin den vor Beginn der Beschäftigungsverbote nicht oder nicht vollständig erhaltenen Erholungsurlaub auch noch nach Ablauf der Fristen im laufenden Jahr oder im Folgejahr in Anspruch nehmen kann.
„Die Bestimmung regelt nicht nur das für das Fristenregime des § 7 Abs. 3 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) maßgebliche Urlaubsjahr, sondern auch die Unvereinbarkeit von Urlaub und einer (vollständigen) Arbeitsbefreiung infolge mutterschutzrechtlicher Beschäftigungsverbote mit der Folge, dass das Risiko der Leistungsstörung durch ein in den zuvor festgelegten Urlaubszeitraum fallendes Beschäftigungsverbot dem Arbeitgeber zugewiesen wird. (Rn. 14)“
Eine Arbeitnehmerin hat auch dann im Sinne von § 17 Satz 2 MuSchG ihren Urlaub vor Beginn der Beschäftigungsverbote nicht oder nicht vollständig erhalten, wenn der Arbeitgeber den Urlaubszeitraum bereits vor Eintritt des mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbots festgelegt hatte.
„Die Arbeitnehmerin „erhält“ ihren Urlaub, wenn die mit der Festlegung des Urlaubszeitraums bezweckte Erfüllungswirkung eintritt. Damit die Verpflichtung zur Urlaubserteilung nach § 362 Abs. 1 BGB erlischt, genügt nicht allein die Vornahme der erforderlichen Leistungshandlung, sondern es muss auch der Leistungserfolg eintreten (BAG, Urt. v. 9. August 1994 – 9 AZR 384/92 – zu 2 a der Gründe). Kann die Arbeitnehmerin nach dem Wortlaut des § 17 Satz 2 MuSchG den vor den Beschäftigungsverboten nicht erhaltenen Urlaub danach ungekürzt in Anspruch nehmen, folgt daraus die gesetzgeberische Wertung, dass Urlaub während der mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbote nicht erlöschen kann. (Rn. 15)“
Es kommt mithin entscheidend darauf an, ob der Freistellungsanspruch für Urlaub auch tatsächlich erfüllbar ist. Naheliegend kann für Zeiten, in denen der/die Arbeitnehmer/in krankheitsbedingt nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet ist, deshalb kein Urlaub gewährt werden. Dies bedeutet konsequent, dass die durch die Arbeitsunfähigkeit (oder ein Beschäftigungsverbot) nachgewiesenen Tage nicht auf den Urlaubsanspruch angerechnet werden (vgl. hierzu § 9 BUrlG). Insoweit hat inzwischen auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) klargestellt, dass der/die Arbeitnehmer/in insbesondere berechtigt ist, den Urlaubsanspruch zu einer anderen Zeit zu realisieren (vgl. EuGH vom 04.06.2020 – C-588/18). Dies gilt auch bei übertragenen Urlaubsansprüchen, wenn nach der Genesung des/der Arbeitnehmer/in der Übertragungszeitraum bereits abgelaufen ist. Der Urlaubsanspruch erlischt hier demzufolge nicht, wie es auch das o.g. Urteil des BAG aus 2019 entsprechend postuliert.