Mitteilung Nr. 71 des Landesverbandes Nord im Deutschen Bühnenverein
V.i.S.d.P.: Geschäftsführer Dr. Joachim Benclowitz, Fachanwalt für Arbeitsrecht
Nr. 71 Juli 2025
Aktuelles
Statusrechtliche Einordnung von Orchesteraushilfen
Zur status- und befristungsrechtlichen Einordnung von Orchesteraushilfen wird ergänzend zur LVM Nr. 69 (dort unter A. I. 1.) folgendes klargestellt:
Die bislang als selbständig tätig eingeordneten und sozialversicherungsrechtlich abgerechneten Orchesteraushilfen werden von der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV) als Beschäftigte angesehen, wenn sie an Proben teilnehmen.
Um Nachzahlungen sowie straf- und ordnungswidrigkeitsrechtliche Verfahren mit entsprechenden Bußgeldern sowohl gegen den Arbeitgeber als auch persönlich gegen Geschäftsführer privatrechtlicher juristischer Personen zu vermeiden, sollten Orchesteraushilfen deshalb zumeist als sozialversicherungsrechtlich Beschäftigte mit tageweise abgerechnet werden, soweit keine geringfügige Beschäftigung nach § 8 SGB IV vorliegt.
Eine freiwillige Beitragsprüfung mit verbindlicher Feststellung der Beitragspflicht für Versicherte können Arbeitgeber bei den Einzugsstellen beantragen (§ 28 h Abs. 2 Satz 1 SGB IV), ebenso das Statusfeststellungsverfahren bei der dafür zuständigen Clearingstelle bei der DRV Bund (§ 7a SGB IV) in geeigneten Fällen aus Kostengründen durch die Orchesteraushilfen.
Auf einen Vertrauensschutz nach einer turnusmäßig alle vier Jahre stattfindenden Betriebsprüfung nach § 28 p SGB IV kann man sich nicht berufen, wenn es lediglich eine Prüfmitteilung ohne Beanstandungen gab, da dies keine Verwaltungsakte sind. Hingegen sind Nachforderungen für bislang nicht versicherte Beschäftigte mit Bescheid nach § 28 p Abs. 1 Satz 5 SGB IV Verwaltungsakte.
Auch wenn das Rechtsinstitut der Verwirkung des Anspruchs auf eine Nachzahlung von Beiträgen nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) anerkannt ist, liegt eine solche nur selten im konkreten Einzelfall vor.(1)
Die Verwirkung des Rechts auf Beitragsnachforderungen ist gegeben, wenn die Ausübung des Rechts auf Nachberechnung von Beiträgen durch die Behörde während eines längeren Zeitraumes unterlassen wurde und weitere besondere Umstände im Einzelfall bezogen auf das betreffende Rechtsgebiet hinzutreten, die ein verspätetes Geltendmachen gegenüber dem Arbeitgeber als unbillig erscheinen lassen.
Das Bundessozialgericht hat sich bereits mehrfach mit den Rechtsfolgen von Betriebsprüfungen auseinandergesetzt, bei denen es zunächst keine Beanstandungen gab, sich jedoch später herausstellte, dass die Versicherungs- und Beitragspflicht von Beschäftigten vom Arbeitgeber bereits im Prüfzeitraum unzutreffend beurteilt wurden, aber dies im Rahmen der Betriebsprüfung nicht aufgefallen war. Diese Sachverhalte begründen allein betrachtet keinen Vertrauenstatbestand. Sowohl Arbeitgeber wie Arbeitnehmer können aus vergangenen Betriebsprüfungen grundsätzlich keine Rechte herleiten.
Die Prüfbehörden sind bei Arbeitgeberprüfungen nach § 28 p SGB IV selbst in kleinen Betrieben zu einer vollständigen Überprüfung der versicherungsrechtlichen Verhältnisse aller Versicherten nicht verpflichtet. Betriebsprüfungen haben unmittelbar im Interesse der Versicherungsträger und mittelbar im Interesse der Versicherten den Zweck, die Beitragsentrichtung zu den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung zu sichern. Sie sollen einerseits Beitragsausfälle verhindern helfen, andererseits die Versicherungsträger in der Rentenversicherung davor bewahren, dass aus der Annahme von Beiträgen für nicht versicherungspflichtige Personen Leistungsansprüche entstehen. Eine über diese Kontrollfunktion hinausgehende Bedeutung kommt den Betriebsprüfungen nicht zu. Sie bezwecken insbesondere nicht, den Arbeitgeber als Beitragsschuldner zu schützen oder ihm „Entlastung“ zu erteilen.(2) Aus den Vorschriften über Betriebsprüfungen kann auch nicht hergeleitet werden, dass bei Erlass eines personenbezogenen Verwaltungsakts im Rahmen einer Betriebsprüfung zugleich die Regelung getroffen wird, ansonsten sei „alles in Ordnung gewesen“. (3)
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(1) (vgl. Scheer in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 4. Aufl., § 28p SGB IV, Rn. 283 ff.)
(2) BSG v. 30.11.1978 – 12 RK 6/76 – juris Rn. 16; ausführlich BSG v. 30.10.2013 – B 12 AL 2/11 R – juris Rn. 26-28; bestätigt durch BSG v. 18.11.2015 – B 12 R 7/14 – juris Rn. 20.
(3) BSG v. 18.11.2015 – B 12 /714 R – juris Rn. 18.