V.i.S.d.P.: Geschäftsführer Dr. Joachim Benclowitz, Fachanwalt für Arbeitsrecht
Nr. 66 August 2021
A. Aktuelles
I. Neue gesetzliche Regelungen im Betriebsverfassungsge-setz und Kündigungsschutzgesetz
II. Neues Urheberrecht
III. Verweigerung von Corona-Testung
B. Aktuelle Fälle
I. Werkverträge mit Regisseuren
II. Wirkung der Geschäftsordnung auf Anwesenheitspflichten im Anhörungsgespräch
III. Befugnisse der designierten Intendantin
A. Aktuelles
I. Neue gesetzliche Regelungen im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) und Kündigungsschutzgesetz (KSchG)
Der Bundestag hat das Gesetz zur Förderung der Betriebsratswahlen und der Be-triebsratsarbeit in einer digitalen Arbeitswelt beschlossen (Betriebsrätemodernisie-rungsgesetz). Es ist am 18. Juni 2021 in Kraft getreten. Neu ist die Regelung in § 15 Abs. 3 a Satz 1 Halbsatz 2 KSchG n.F., wonach nunmehr „sechs Einladende“ und drei Antragstellende geschützt sind. Desgleichen neu ist § 15 Abs. 3 b KSchG n.F., wonach die Wahl vorbereitenden Personen nunmehr geschützt sind, maximal drei Monate bis zur Einladung zur Wahlversammlung.
Bislang hatten nach dem BAG Bewerber für das Amt des Wahlvorstandes zur Durchführung einer Betriebsratswahl allein aufgrund ihrer Kandidatur keinen be-sonderen Kündigungsschutz genossen. Dies hat sich jetzt grundlegend geändert. § 15 Abs. 3b n.F. verlangt neben Vorbereitungshandlungen eine unterschriebene und öffentlich (notariell) beglaubigte Urkunde (§ 129 BGB) mit der erklärten Ab-sicht der Betriebsrats-Gründung. Erforderlich ist darin die Angabe von Name, Ge-burtsdatum, konkretes Unternehmen und Betrieb, Anstreben eines Betriebsrats-amts und die entsprechende Absicht.
Diese kündigungsschutzrechtlichen Bestimmungen werden durch betriebsverfas-sungsrechtliche Regelungen im BetrVG flankiert. So erfasst nun § 103 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 2a BetrVG die Vorbereitenden ebenso wie die Einladenden oder An-tragstellenden nach § 15 Abs. 3 a, Abs. 3 b KSchG. Das Ende des besonderen Kündigungsschutzes muss vor ordentlich zu kündigende Personen abgewartet werden.
Die Abläufe der gesetzlichen Neuregelungen in § 103 BetrVG stellen den Arbeit-geber vor erhebliche Herausforderungen. So darf die außerordentliche Kündigung erst nach Rechtskraft des ersetzenden Beschlusses des Arbeitgebers ausgespro-chen werden und ersetzt die gerichtliche Entscheidung im Verfahren nach § 103 Abs. 2 BetrVG nicht die Zustimmung des Betriebsrats im Hinblick auf eine konkre-te Amtsträgereigenschaft, sondern bezogen auf die vom Arbeitgeber geltend ge-machten Kündigungsgründe. Vieles ist hier noch ungeklärt, so dass hier noch die weitere gerichtliche Praxis abzuwarten ist. Gleiches betrifft das Zusammenspiel mit der Beteiligung des Integrationsamtes (§ 174 Abs. 5 SGB X). Neu ist auch die Mit-bestimmung bei mobiler Arbeit:
So eröffnet nun § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG n.F. die zwingende Mitbestimmung über die Ausgestaltung der mobilen Arbeit.
Definition der mobilen Arbeit nach dem Gesetz:
„Ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin arbeitet mobil, wenn er oder sie die geschuldete Arbeitsleistung unter Verwendung von Informations- und Kommuni-kationstechnik außerhalb der Betriebsstätte von einem Ort oder von Orten seiner oder ihrer Wahl oder von einem mit dem Arbeitgeber vereinbarten Ort oder von dem Arbeitgeber vereinbarten Orten erbringt. Mobile Arbeit liegt nicht vor, wenn der Ar-beitnehmer oder die Arbeitnehmerin die geschuldete Arbeitsleistung aufgrund de-ren Eigenart ortsgebunden erbringen muss. Von einem Mitbestimmungsrecht wird sowohl regelmäßige als auch anlassbezogene mobile Arbeit erfasst.“
Aus dieser Definition folgt ein wichtiger rechtlicher Aspekt für die Theater und Or-chester aufgrund der in der Bundesdrucksache angesprochenen „Eigenart“-Regelung. Es handelt sich hier um eine § 118 BetrVG nachgebildete Tendenz-schutzbestimmung, womit klargestellt ist, dass mobile Arbeit nicht vorliegt, wenn die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung aufgrund der Eigenart eines Theater- und Orchesterbetriebs eben ortsgebunden und nicht außerhalb der Betriebsstätte erbracht werden kann, ein mobiles Arbeiten also nicht in Betracht kommt. Auch bei der Mitbestimmung bei mobiler Arbeit sind viele Fragen noch ungeklärt. Offen ist insbesondere, wie weit eine Ausgestaltung geht, wenn der Arbeitgeber mobile Arbeit im Grundsatz verweigert, aber in Einzelfällen kraft Gesetzes zulassen muss, z.B. gegenüber Schwerbehinderten gem. § 164 Abs. 4 SGB X. Offen ist auch, in-wieweit hier Unterlassungsansprüche des Betriebsrats in Betracht kommen bzw. bei fehlender Mitbestimmung bzw. Zustimmung des Betriebsrats sich Arbeitneh-mer weigern dürfen, ihre Arbeit auszuführen.
Im Gefolge dieser betriebsverfassungsrechtlichen Neuregelung in § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG kommen bei mobiler Arbeit weitere mögliche Mitbestimmungstatbe-stände in Betracht. So etwa § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG (Gefährdungsbeurteilung, Ausstattung des heimischen Arbeitsplatzes).
Unklarheit besteht auch noch über den Umfang der Unfallversicherung nach SGB VII im und um das Homeoffice herum. Diskutiert wird hier insbesondere, in-wieweit ein in der gesetzlichen Unfallversicherung geschützter Betriebsweg bei einer häuslichen Arbeitsstätte etwa bei Zurücklegen eines Weges innerhalb des eigenen Wohngebäudes in Betracht kommt (z.B. Weg in den Keller um Getränke zu holen oder der Weg zum und vom Kindergarten vom häuslichen Arbeitsplatz aus).
Schließlich ermöglicht der neue § 30 Abs. 2 BetrVG virtuelle Sitzungsformate.
II. Neues Urheberrecht
Mit dem Gesetz zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digita-len Binnenmarktes vom 31.5.2021 sind im deutschen Urheberrecht Neuregelun-gen normiert worden, die für das deutsche Urheberrecht von großer Bedeutung sind. Dies betrifft insbesondere das Urhebervertragsrecht. In diesem Kontext sind Änderungen bei den Urheberrechtsschranken zu sehen, die erlaubte Nutzungen neu definieren, so etwa für Karikaturen, Parodien und bei Pastiches. Völlig neu ist das Instrument erweiterter kollektiver Lizenzen, um Rechte von Außenseitern über Verwertungsgesellschaften zu lizensieren. Das Konzept der Urheberrechtsnovelle ist insbesondere dem Kreativen eine „angemessene“ Vergütung zu sichern, na-mentlich dann, wenn ein „auffälliges Missverhältnis“ zwischen dem ursprünglich unterstellten Maß und der tatsächlich größeren bzw. weiteren Nutzung besteht. Von zentraler Bedeutung ist § 32 Abs. 2 UrhG, die regelt, was eine „angemessene Vergütung“ ist, wenn Tarifverträge oder gemeinsame Vergütungsregeln (§ 36 UrhG) nicht die Richtung weisen. Es handelt sich um die übliche und redliche Vergütung, wobei der Bundesgerichtshof bisher auch eine Pauschale genügen lässt, wenn diese aus heutiger Sicht betrachtet eine angemessene Beteiligung am voraussichtlichen Gesamtertrag der Nutzung gewährleistet. Auch eine Kombinati-on von Pauschale und Beteiligungsvergütung kommt in Betracht. Dies insbeson-dere, wenn die Pauschale durch die Besonderheiten der Branche gerechtfertigt ist. Es wird abzuwarten bleiben, inwieweit im Bühnenbereich insoweit tarifver-tragliche Regelungen zukünftig normieren, was als angemessene Vergütung an-gesehen werden kann.
Verschärft in der Urheberrechtsnovelle wurde auch der Auskunftsanspruch des Kreativen (§ 32 d UrhG), die jährlich gegenüber den Vertragspartnern geltend ge-macht werden kann. Dieser Auskunftsanspruch gestattet bei Nichterfüllung sogar einen „Griff“ in die Lizenzkette, d.h. der Kreative kann sich letztendlich notfalls auch über einen Unterlassungsanspruch einen Nutzer seiner Leistungen sozu-sagen „herauspicken“, was wohl auch bei Theater- und Orchesterbetrieben noch Fragen aufwirft. Es wird sich insbesondere die Frage stellen, inwieweit eine Transparenzverpflichtung in Form einer jährlichen Information an den Kreativen auch bei kleineren und vom Umfang her nicht großen Leistungen geschuldet sind bzw. derartige Informationen im Rahmen eines ordnungsgemäßen Geschäftsbe-triebes üblicherweise überhaupt leistbar sind.
Entfallen im Urheberrechtsgesetz ist § 24 UrhG (sog. freie Benutzung). § 23 UrhG neu regelt jetzt die zulässigen Bearbeitungen und Umgestaltungen im neuen rechtlichen Gewand. Es wird nun gesetzlich klargestellt, dass ein „hinreichender Abstand zum benutzten Werk nicht in dessen Schutzbereich eingreift.
III. Verweigerung der Durchführung eines Corona-Tests durch Mitarbeiter
Weiterhin wirkt sich die Corona-Pandemie weltweit auf das gesellschaftliche Mit-einander aus, und so insbesondere auch auf die Arbeitsverhältnisse. Die Theater-betriebe sind seit Beginn der Pandemie nicht ansatzweise in die Normalität zu-rückgekehrt, wie es andere Unternehmen vielleicht zeitweise vermochten. Für die Politik bedeutet die Sondersituation der Theater unter anderem eine Begrenzung der Zuschauerzahl, um den Mindestabstand zwischen den Zuschauern zu ge-währleisten. Innerbetrieblich waren die Theater teilweise selbst verantwortlich, entsprechende Schutzvorkehrungen zu treffen. Vor dem Hintergrund der auch allgemein geltenden Testpflichten für die Nutzung der Gastronomie scheint eine Testpflicht für Arbeitnehmer, die in Theatern oft um den Bruch des Mindestab-stands nicht herumkommen und sich ohnehin in geschlossenen Räumen mitei-nander befinden, nicht weit hergeholt. Was ist aber zu tun, wenn sich Angestellte dazu nicht bereit erklären?
1. Rechtfertigende Pandemielage
Ist man zunächst mit der Rechtfertigung konfrontiert und es greift keine gesetzli-che bzw. tarifliche Regelung, lässt sich eine Pflicht zur Mitwirkung an einem Corona-Test aus den allgemeinen Rücksichtnahmepflichten aus § 241 II BGB ab-leiten. Aus der daraus folgenden Schadensabwendungspflicht des Arbeitnehmers folgt, dass er drohende Schäden vom Arbeitgeber sowie anderen Arbeitnehmern abzuwenden hat, soweit ihm dies möglich und zumutbar ist. Ohne die Sicherstel-lung eines Schutzes der Arbeitnehmer, aber auch des Publikums, besteht ein er-höhtes Risiko einer Infektion. Diese stellt einen abzuwendenden Schaden dar, der eine Mitwirkungspflicht aus § 241 II BGB begründet. Problemlos zumutbar ist die Testung durch „Spuck-Tests“, die mit keinem körperlichen Eingriff verbunden sind. Alle anderen Testarten sind mit einem körperlichen Eingriff verbunden und beein-trächtigen den Arbeitnehmer somit in seinem Grundrecht auf körperliche Unver-sehrtheit und tangiert zudem sein allgemeines Persönlichkeitsrecht. Die Alternati-ve des „Spuck-Tests“ sollte also verfügbar gehalten werden, auch wenn der durch den „Stäbchen-Test“ erfolgte Eingriff als Maßnahme des Infektionsschutzes grundsätzlich als verhältnismäßig angesehen wird.
Auch aus § 618 I BGB ergibt sich die Pflicht für den Arbeitgeber, sicherzustellen, dass der Arbeitnehmer gegen Gefahren für Leben und Gesundheit so weit ge-schützt ist, als die Natur der Dienstleistung es gestattet. Die entsprechende öffent-lich-rechtliche Pflicht des Arbeitgebers ergibt sich aus § 3 I 1 ArbSchG. Das ArbG Offenbach hat hierzu mit Beschluss vom 04.02.2021 (4 Ga 1/21) festgestellt, dass die Verpflichtung zur Durchführung eines Corona-Tests zumindest am ersten Ar-beitstag nach den Feiertagen nicht offensichtlich unangemessen ist.
2. Betriebsvereinbarung
Der sicherste Weg, zu dem an dieser Stelle geraten sein soll, falls er noch nicht eingeschlagen wurde, ist der Abschluss einer Betriebsvereinbarung. Die Betriebs-vereinbarung ist eine Vereinbarung auf betrieblicher Ebene zwischen Arbeitgeber und dem Betriebsrat und enthält, wie der Tarifvertrag, einen schuldrechtlichen Teil, durch den die Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ausge-staltet werden und einen normativen Teil, also Rechtsnormen, die den Inhalt der betrieblichen Arbeitsverhältnisse ordnen. Die Vorschriften der Betriebsvereinba-rung gelten nach Abschluss unmittelbar und zwingend, wie ein Gesetz. Die Vo-raussetzungen der Betriebsvereinbarung sind
1. wirksame Vereinbarung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber
2. schriftliche Niederlegung (§ 77 II BetrVG)
3. zulässiger Inhalt.
Bei Abschluss von Betriebsvereinbarungen sind Arbeitgeber und Betriebsrat grundsätzlich zur Wahrung der durch Art. 2 I GG geschützten allgemeinen Hand-lungsfreiheit der Arbeitnehmer verpflichtet (§ 75 I, II 1 BetrVG). Diese darf nur be-schränkt werden, wenn die getroffene Regelung den Grundsatz der Verhältnis-mäßigkeit wahrt (BAG 12.12.2006 – 1 AZR 96/06). Sie muss also einen legitimen Zweck verfolgen, zu dessen Erreichen geeignet, erforderlich und angemessen sein. Regelungen bezüglich einer regelmäßigen Testpflicht, aber auch zum Tra-gen einer Mund-Nasen-Bedeckung und Abstandhalten beeinträchtigen immer die allgemeine Handlungsfreiheit der Arbeitnehmer. Die Verhältnismäßigkeit der Re-gelungen ist jedoch in Zeiten des Pandemie-Zustands mit den selben Begrün-dungen gewahrt, die für die Regelungen in der Öffentlichkeit gelten. Dies gilt ins-besondere, wenn die Vereinbarung erkennen lässt, dass sie tatsächlich an die Situation der Pandemie gebunden ist, also nur vorübergehende Geltung hat.
3. Annahmeverzug des Arbeitgebers bei Freistellung des nicht getesteten Ar-beitnehmers
Werden alle Arten von Tests vom Arbeitnehmer verweigert, durchzuführen, und wird er daraufhin vom Dienst freigestellt, stellt sich auch die Frage nach der Lohn-fortzahlung.
Der Arbeitnehmer hätte darauf einen Anspruch, wenn sich der Arbeitgeber im An-nahmeverzug befindet, §§ 615, 293 ff. BGB. Durch die Freistellung des Arbeit-nehmers ist grundsätzlich eine Nichtannahme gegeben, die den Vergütungsan-spruch fortbestehen lässt. Durch das Verweigern der Befolgung von Corona-Schutzvorschriften kann das Erfordernis der Zuweisung einer Ersatztätigkeit ent-fallen, da davon jegliche Tätigkeit im Betrieb betroffen ist. Ein Annahmeverzug ist erst auszuschließen, wenn die Entgegennahme der Arbeitsleistung nach Treu und Glauben unzumutbar erscheint (BAG, Urteil vom 29.10.1987 - 2 AZR 144/87). Die Gefährdung von Rechtsgütern des Arbeitgebers oder der anderen Arbeitneh-mer hat grundsätzlich Vorrang vor dem Interesse des Arbeitnehmers an der Erhal-tung seines Verdienstes. Hierbei muss ein ungewöhnlich schwerer Verstoß gegen allgemeine Verhaltenspflichten vorliegen, der den Arbeitgeber berechtigt, die Dienste schlechterdings abzulehnen (BAG, Urteil vom 16.4.2014 – 5 AZR 739/11). Durch das Vorliegen einer Betriebsvereinbarung mit Inhalt der Schutzvorschriften ist diese Hürde leichter zu erreichen als ohne, da an der Stelle bereits die eindeu-tige Pflichtverletzung im Arbeitsverhältnis steht. Generell ist aber das Verweigern des Durchführens eines Tests, genau wie des Tragens einer Maske, in Zeiten der Pandemie, unzumutbar hinzunehmen. Im Kontext des Zeitgeschehens sind diese Pflichten von verhältnismäßig geringer Belastung für die Grundrechte des Arbeit-nehmers und verfassungsrechtlich durch die Pandemiesituation und deren Beur-teilung durch das RKI gerechtfertigt. Arbeitnehmer haben zudem nicht nur sich selbst gem. § 15 I ArbSchG zu schützen, sondern auch alle anderen Arbeitnehmer des Betriebs. Schon dazu ist ein Arbeitnehmer, der sich vor Dienstbeginn nicht testen lassen möchte, offensichtlich nicht bereit.
Auch den Arbeitgeber treffen zahlreiche Schutzpflichten gegenüber seinen Ar-beitnehmern, siehe § 618 I BGB. Wenn nun der Arbeitnehmer nachhaltig nicht bereit ist, eine bestehende Infektion durch einen Test auszuschließen, bleibt dem Arbeitgeber tatsächlich keine andere Möglichkeit, um seine anderen Arbeitnehmer und sich zu schützen, als den „Test-Verweigerer“ freizustellen. Er kann seinen Sorgfalts- und Schutzpflichten unmöglich nachkommen. Vor den Hintergründen der oben genannten Grundsätze ist die Entgegennahme der Arbeitsleistung mit-hin unzumutbar, und der Annahmeverzug auszuschließen. Der Arbeitnehmer kann bei entsprechend nachhaltigem Verhalten den Anspruch auf die Zahlung seiner Vergütung verlieren.
4. Sanktionierung der Testverweigerung
Abgemahnt werden kann das Nichtbeachten von im Einzelfall angeordneten be-trieblichen Arbeitsschutzmaßnahmen, wie z.B. das Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung im Betrieb oder die Verletzung einer arbeitsrechtlichen Melde-/Offenbarungspflicht nach § 241 II BGB, wenn der Arbeitnehmer z.B. aus dem Ur-laub in einem Risikogebiet zurückkehrt oder trotz Infektion und angeordneter Qua-rantäne im Betrieb erscheint. Diese objektive Verletzung arbeitsvertraglicher Pflich-ten kann im Falle hartnäckig fortgesetzter Verstöße mit einer verhaltensbedingten Kündigung geahndet werden.
Bei Verletzungen der Vorschriften einer Betriebsvereinbarung, so auch das Ver-weigern der Durchführung eines Corona-Tests, ergibt sich die Pflichtverletzung direkt aus der Zuwiderhandlung gegen die Vereinbarung, die als solche abge-mahnt, aber auch mit einer Kündigung geahndet werden kann. In bestimmten Fäl-len kann auch eine fristlose Kündigung aus § 626 I BGB angebracht sein. Vor dem Hintergrund der Gefahren, die durch einen Verstoß gegen Corona-Schutzvorschriften entstehen können, ist hierfür der erforderliche wichtige Grund „an sich“ gegeben. Selbst die Abmahnung kann entbehrlich sein, wenn eine be-sonders schwere Pflichtverletzung vorliegt. Dies ist auch der Fall, wenn eine Ver-haltensänderung des Arbeitnehmers in Zukunft trotz Abmahnung nicht erwartet werden kann. Die Abmahnung kann hier ihre eigentliche Warnfunktion nicht er-füllen. Dies ist offensichtlich bei Arbeitnehmern der Fall, die die Existenz des Corona-Virus leugnen. Hier muss der Arbeitgeber regelmäßig sogar sofort han-deln, da er die anderen Arbeitnehmer nach § 618 I BGB zu schützen hat. Ein „Corona-Leugner“, der aufgrund seiner Überzeugung die Schutzvorschriften nicht einhalten will, wird sie mit großer Wahrscheinlichkeit auch außerhalb des Betriebs nicht einhalten.
Bei Rückfragen insbesondere zur Gestaltung einer Betriebsvereinbarung können Sie sich gerne an die Geschäftsstelle wenden.
B. Aktuelle Fälle
I. Werkverträge mit Regisseuren
Ein selbstständiger Bühnenbildner klagte gegen den Vertragsrücktritt der Inten-dantin des Theaters, an dem er für eine Produktion als Gast engagiert worden war.
Zunächst war bereits der Vertragsschluss mangels zweier übereinstimmender Wil-lenserklärungen bezüglich der Gage an sich umstritten. Hilfsweise wurde dann im Prozess ein Werkvertrag nach Muster eines in der Vergangenheit liegenden Gast-vertrages der Parteien herangezogen. Dieser Gastvertrag legte eine Staffelung der Vergütung des Gastes fest. In zeitlicher Hinsicht legte der Vertrag eine Fälligkeit des Honorars jeweils zu einem Drittel zur Vertragsunterzeichnung, zum Proben-beginn, und zur Premiere fest. Diese Zeitpunkte waren allesamt nicht eingetreten. Der Entwurf des Klägers befand sich noch in der Entwicklung, wobei eine Ver-tragsunterzeichnung wegen der Uneinigkeit ebenfalls noch nicht erfolgt war. Der Kläger orientiert sich in seinem Gesuch an der Aufteilung des Honorars auf die Leistungsstufen des Gastvertrages. Hiernach fallen etwa 40% des Honorars für die Konzepterstellung und Erarbeitung der bühnenbildnerischen Ausstattung an und etwa 60% für die Nutzung der bestehenden Urheberrechte. Nach Auffassung des Klägers hatte er diese beiden Leistungsstufen voll erbracht und ihm stünde somit die volle Vergütung zu. In der Tat hatte der Kläger bereits an Ideen für das Büh-nenbild gearbeitet und diese auch präsentiert. Das Theater sah sich jedoch nicht im Stande, diese Ideen zu verfolgen, da sie schon nicht umsetzbar waren und der Kläger nicht bereit war, die nötigen Anpassungen vorzunehmen. Ein Entgegen-kommen auf der Stufe der 40% der Gage für die Konzepterstellung, nicht aber im vollen Umfang, wurde demnach angeboten.
Der Kläger vertrat jedoch die Auffassung, er hätte einen fertigen Entwurf geliefert und damit auch die Nutzung der bestehenden Urheberrechte vollumfänglich über-tragen. Dem hielt jedoch auch das Gericht per Beschluss entgegen, dass sich der Umfang der urheberrechtlichen Nutzungsrechte am bereits erbrachten Werk orien-tieren muss. Laut der Beklagten wäre es widersprüchlich, die Einräumung der Nutzungsrechte außer Zusammenhang mit der Herstellung des Werks zu stellen. Wenn die Umsetzung des Werkes dem Empfänger sogar unmöglich ist, weil kein umsetzbares Werk vorliegt, entspreche es keiner juristischen Realität, die Nut-zungsrechte zwanghaft gegen den Willen des Empfängers zu übertragen und ihn zahlungspflichtig werden zu lassen.
Entscheidend blieb der Umfang der tatsächlich erbrachten Leistung, da sich bei einer Kündigung aus § 648 BGB der Gegenstand des Werkvertrages auf das bis dahin erbrachte Teilwerk beschränkt. Die Umstände der Kündigung sind gänzlich unerheblich, da die Kündigung nach § 648 S. 1 BGB an keine besonderen sachlichen Voraussetzungen gebunden ist, insbesondere ist sie sogar unabhängig von einem bestimmten Vorverhalten des Unternehmers.
Die bereits vorgestellten Ideen des Klägers erfolgten in digitaler Form, während der Gastvertrag das Abliefern physischer Zeichnungen und Entwürfe in allgemein bekannten Maßstäben verlangte. Schon hier ist ein Hindernis für das bereits voll-brachte Werk zu erkennen, aber auch für die Nutzungsrechte, da der Gastvertrag einen Eigentumsübergang der Entwürfe mit deren physischer Ablieferung vor-sieht. Eine Entscheidung steht hier noch aus, bislang hält der Kläger an seiner vollumfänglichen Forderung fest.
II. Wirkung der Geschäftsordnung auf Anwesenheitspflichten im Anhörungsgespräch
In einem Streit um die Wirksamkeit der Nichtverlängerungsmitteilung eines Schauspielers mussten die Umstände des Anhörungsgesprächs unter die Lupe genommen werden.
Grundsätzlich ist das Solo-Bühnenmitglied vor dem Ausspruch einer Nichtverlän-gerungsmitteilung ordnungsgemäß anzuhören, § 61 Abs. 4 NV Bühne. Ein Unter-lassen dieser Anhörung hat direkt die Unwirksamkeit der Nichtverlängerungsmit-teilung zur Folge, § 61 Abs. 5 S. 2 NV Bühne. Eine Anhörung des Bühnentechni-kers hatte vorliegend zwar stattgefunden, jedoch machte der Kläger eine nicht ordnungsgemäße Durchführung geltend. Im Gespräch anwesend war lediglich der Intendant der Beklagten, nicht jedoch der Geschäftsführer.
Grundsätzlich gehört zu einer ordnungsgemäßen Anhörung insbesondere auch, dass diese durch die beim Arbeitgeber entscheidungsbefugte(n) Person(en) oder entsprechend der maßgeblichen Vertretungsregeln erfolgt (BAG, Urteil v. 15. Mai 2013, 7 AZR 665/11). Insofern ist die Anhörung von denjenigen Personen zu füh-ren, die auch über den Ausspruch der Nichtverlängerungsmitteilung entscheiden. Die Geschäftsordnung der Beklagten regelt insoweit, dass Intendant und Ge-schäftsführer befugt sind und bevollmächtigt werden, im Rahmen des Wirtschafts-planes u.a. alle zum laufenden Betrieb des Theaters erforderlichen Arbeits- und Dienstverträge gemeinsam abzuschließen, zu ändern oder aufzulösen. Davon seien nach Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts auch die Erklärung von Nichtverlängerungsmitteilungen erfasst. Hieran ändere auch nicht die in der Ge-schäftsordnung ausgewiesene alleinige Entscheidungskompetenz des Intendan-ten über die Auswahl von künstlerischem Personal, die als solche einer Erklärung einer Nichtverlängerungsmitteilung nicht gleichkomme. Durch das Fehlen des Geschäftsführers im Anhörungsgespräch sei dieses mithin nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden und das erstinstanzliche Gericht erklärte die Nichtverlänge-rungsmitteilung für unwirksam.
Die Berufung der Beklagten stützt sich zunächst auf die Definition der schieds- und arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung des Arbeitgeberbegriffs im Sinne von § 61 NV Bühne, nach der der Arbeitgeber eine Person mit Arbeitgeberfunktion ist, die die künstlerische Verantwortung für den in Frage kommenden Bereich trägt. Die Geschäftsordnung der Beklagten trenne die Zuständigkeiten von Geschäfts-führer und Intendant gerade auf die künstlerische Leitung des Intendanten des Theaters auf, wobei er das Theater nach außen vertritt und für den Geschäftsfüh-rer die kaufmännische und administrative Leitung festlegt. Weiter weist die Ge-schäftsordnung gerade nur den künstlerisch-technischen und den technischen Bereich dem Verantwortungsbereich des kaufmännischen Leiters zu.
Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung zum „Arbeitgeber“ im Sinne von § 61 NV Bühne sei es widersprüchlich, wenn die Durchführung der Anhörung durch den letztlich entscheidungsbefugten Intendanten als in der Sache kompetentes-ten Entscheidungsträger zu einer fehlerhaften Anhörung führe. Für das Soloper-sonal ergebe sich die Zuständigkeit des Intendanten auch gerade aus der Ge-schäftsordnung, im Gegensatz zu Personal der SR Bühnentechnik, was das erst-instanzliche Gericht verkannte. Weiterhin würde aus der erstinstanzlich vertrete-nen Ansicht, die Nichtverlängerungsmitteilung würde, obwohl nicht genannt, in den gemeinsamen Verantwortungsbereich von Intendant und Geschäftsführer fallen, die Anhörung durch den kaufmännischen Leiter bei Solo-Personal wegen dessen mangelnder eigenen Beteiligung an der inhaltlichen Entscheidung offen-sichtlich zu einer Farce werden. So hat auch das Bühnenoberschiedsgericht mit Schiedsspruch vom 22.10.1984 (BOSchG 10/84) im Interesse einer sachgerechten Anhörung nach Sinn und Zweck des Anhörungsgesprächs entschieden, dass bei einem Intendantenwechsel die Anhörung durch den designierten Intendanten durchzuführen ist, da nur er der tatsächlich kompetente Ansprechpartner für die Nichtverlängerung ist.
Weiter hielte auch die Auslegung der erstinstanzlichen Entscheidung einer ver-fassungsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Interpretation einer innerbe-trieblichen Regelung (Geschäftsordnung) vermöge im Außenverhältnis den Grundsätzen der Normenhierarchie von Rechtsnormen nicht annähernd Rech-nung zu tragen. Wegen der umfassenden künstlerischen Verantwortung für den Solo-Bereich sei das Fehlen des Geschäftsführers in der Anhörung nicht fehler-haft gewesen, wobei weiter zu beachten war, dass die Nichtverlängerungsmittei-lung an sich von beiden Verantwortlichen unterzeichnet war.
Das Bühnenoberschiedsgericht folgte den Ausführungen des Theaters der Sache nach und das Verfahren wurde angesichts einer weiteren ausgesprochenen Nichtverlängerungsmitteilung mit Beendigungslösung abgeschlossen.
III. Befugnisse der designierten Intendantin
Eine bei einem Mitgliedstheater eingegangene Klage machte eine unzureichende Unterzeichnung der Nichtverlängerungsmitteilung des Klägers geltend. Die Mittei-lung wurde durch die designierte Intendantin ausgesprochen und auch aufgrund des Intendantenwechsels im Sinne von § 62 NV Bühne begründet. Der Kläger war der Ansicht, dass der amtierende Intendant und Geschäftsführer des Theaters die designierte Intendantin nicht zur Vertretung bevollmächtigt hatte. Tatsächlich hatte die Vollmacht aber vorgelegen. Zudem wurde auch die Belegschaft bereits per Hausmitteilung über den Wechsel informiert, was im Sinne der Rechtsprechung auf eine konkludente Vollmachterteilung schließen lässt (LAG Köln, Urteil v. 01.10.2001, 2 Sa 334/01). Der Kläger hatte zudem zu keinem Zeitpunkt vor Pro-zessbeginn das Rechtsgeschäft wegen einer fehlenden Vollmacht zurückgewie-sen, § 174 BGB. Die Genehmigung des Geschäfts i.S.v. §§ 180 S. 2, 177 BGB kann dann auch im Prozess noch nachgeholt werden. Das Verfahren wurde mit Vergleich beendet, der das Dienstverhältnis im Sinne der Nichtverlängerungsmit-teilung beendete und dem Kläger eine Entschädigung im Sinne von § 62 Abs. 1 S. 1 NV Bühne, gemessen an seiner zehnjährigen Tätigkeit, zusprach.