V.i.S.d.P.: Geschäftsführer Dr. Joachim Benclowitz, Fachanwalt für Arbeits-recht
Nr. 62 Januar 2019
A. Neue Entscheidungen
Entscheidung des EuGH zu Befristungen im Kulturbereich
Arbeitnehmer und freier Mitarbeiter bei demselben Unternehmen – geht das?
B. Aktuelle Fälle
I. Ist der „60.“ ein Befreiungstatbestand nach § 40 Abs. 4 Satz 1 TVK?
II. Anspruch eines einzelnen Chormitgliedes auf (zusätzliche) angemes-sene Vergütung trotz Vereinbarung mit Chorvorstand?
C. Aktuelle Rechtsprechung aus dem Sozialversicherungsrecht
Zur Sozialversicherungsfreiheit von Bühnenkünstlern
D. Exkurs
Arbeitnehmer und freier Mitarbeiter bei demselben Unternehmen – geht das?
A. Neue Entscheidungen
Entscheidung des EuGH zu Befristungen im Kulturbereich
Mit Urteil vom 25.10.2018 – C – 3331/17 (Martina Sciotto (fon daziona teatro dell’opera di roma)) hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass § 5 der am 18.3.1999 geschlossenen Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsver-träge im Anhang der Richtlinien 1999/70 aus /EG des Rates vom 28.6.1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge dahin auszulegen ist, dass es einer nationalen Regelung entgegensteht, wenn in der innerstaatlichen nationalen Rechtsordnung zum Schutz von Ket-tenbefristungen im Kulturbereich keinen andere wirksame Maßnahme nor-miert ist, mit der die in dieser Branche festgelegten Missbräuche geahndet werden.
Dieser Entscheidung lagen mehrere befristete Verträge mit einer Balletttänze-rin zugrunde, die in einem Zeitrahmen vom 26.6.2007 bis zum 30.10.2011 je-weils verlängert wurden (Kettenbefristungen). Die Balletttänzerin vertrat in dem Verfahren die Auffassung, dass sie dauerhaft zum Personal des Theaters ge-höre und sie dieselben Funktionen wie diejenigen des unbefristet eingestell-ten Personals ausübe und machte geltend, dass aus ihren Arbeitsverträgen keine besonderen, technischen, organisatorischen oder produktionsgebunde-nen Gründe hervorgingen, die es rechtfertigen, dass sie befristet abgeschlos-sen worden seien. Im Rahmen der vor dem EuGH erhobenen Klage beantrag-te sie die Feststellung der Rechtswidrigkeit der in diesen Verträgen festgeleg-ten Bedingungen, insbesondere die Umwandlung des Arbeitsverhältnisses in ein unbefristetes und den Ersatz des erlittenen Schadens.
Der EuGH stellte sich die Frage, ob der Schutz der Arbeitnehmer, die mit den Stiftungen für Oper und Orchester aufeinander folgende befristete Arbeitsver-träge über einen Gesamtzeitraum von mehr als 3 Jahren geschlossen hätten, den Anforderungen des Unionsrechts genügt. Dies vor dem Hintergrund, dass die auf diesem Sektor anwendbaren nationalen Vorschriften (italieni-sches Recht) nicht die Angabe der sachlichen Gründe verlangten, die die Ver-längerung dieser Verträge rechtfertigen würde. Insbesondere würden die hier zur Anwendung gelangenden italienischen nationalen Regelungen insbe-sondere keine Angaben betreffend die Höchstdauer der Verträge normieren, noch würden diese die maximale Anzahl der Verlängerung dieser befristeten Verträge präzisieren.
Der EuGH stellte klar, dass § 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung so auszulegen ist, dass das aufgrund des Schutzes vor Kettenbefristungen im Kulturbereich im jeweiligen nationalen Recht geeignete Maßnahmen normiert sein müssen, die im Bereich der befristeten Arbeitsverträge geeignet sind, Missbrauch zu Lasten der Arbeitnehmer zu verhindern. Dies insbesondere durch Gewährleis-tung von Mindestschutzbestimmungen, die die Prekarisierung der Lage der Beschäftigten verhindert (Rn. 30 der Entscheidung m.w.N.).
Es ist davon auszugehen, dass entsprechend § 5 Nr. 1 der Rahmenvereinba-rung die nationalen Regelungen in Deutschland im Hinblick auf die Vermei-dung der missbräuchlichen Verwendung aufeinander folgender befristeter Arbeitsverträge insoweit insbesondere durch die Regelung in § 14 Abs. 1 Nr. 4 Teilzeitbefristungsgesetz (TzBfG) geeignete gleichwertige gesetzliche Maß-nahmen getroffen haben, indem entsprechend § 5 Nr. 1 a – c der Rahmenver-einbarung im TzBfG die Zulässigkeit von Befristungen von dem Vorliegen ei-nes sachlichen Grundes abhängig gemacht wird. Zwar stellt die Regelung in § 14 Abs. 1 Nr. 4 TzBfG („Eigenart der Arbeitsleistung“) nur auf die Tätigkeit des Arbeitnehmers und nicht allein auf die künstlerischen Belange der Bühne ab. Aufgrund der tarifvertraglichen Regelung in § 2 Abs. 2 NV Bühne („Der Ar-beitsvertrag ist mit Rücksicht auf die künstlerischen Belange der Bühne ein Zeitvertrag“) gewährleisten die entsprechenden tariflichen Regelungen eine unionskonforme Auslegung, indem die Befristung dann zulässig ist, wenn auch tatsächlich künstlerische Aufgaben erfüllt werden, wobei der Einschät-zungsprärogative der Tarifvertragsparteien aufgrund der Wirkungen des Tarif-vertragsgesetzes (Gesetzeskraft) eine besondere Bedeutung zukommt. Un-problematisch trifft dies nicht nur auf Einzeldarsteller, Chormitglieder und Mit-glieder der Tanzgruppen, sondern auch auf die Personen zu, deren Tätigkeit für das Publikum sinnlich wahrnehmbar und auch in der Öffentlichkeit er-kennbar ist. So hat das BAG zuletzt in dem Urteil vom 13.12.2017 (7 AZR 369/16) am Beispiel einer „Maskenbildnerin“ entschieden, dass die künstleri-sche „Eigenart des Arbeitsverhältnisses“ (§ 14 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 TzBfG) die Befristung eines Arbeitsvertrages mit einem Maskenbildner rechtfertigt. Auch vor dem Hintergrund der EU-Richtlinie uns insbesondere § 5 der am 18.3.1999 geschlossenen Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge und der auf dieser Grundlage ergangenen Rechtsprechung des EuGH hält das BAG insbesondere auch die von den Tarifvertragsparteien des NV Bühne erarbeite-ten Regelungen zum Ausgleich der Kunstfreiheit einerseits und des sozialen Schutzinteresses der betroffenen Arbeitnehmer andererseits für sachgerecht. Insofern ist beachtlich, dass das BAG auch mit dem zuletzt ergangenen Urteil vom 13.12.2017 die Vorgaben des EuGH im Rahmen einer Missbrauchskon-trolle (§ 242 BGB) umgesetzt und insbesondere die vom EuGH in der Ent-scheidung vom 25.10.2018 angeführten Umstände des Einzelfalls, insbeson-dere:
- Gesamtdauer der Befristung
- Zahl der aufeinander folgenden befristeten Verträge
angemessen im Lichte der tariflichen Regelungen des NV Bühne angemes-sen berücksichtigt hat. Die spezifischen nationalen (deutschen) Regelungen im NV Bühne in Gestalt der Schutzbestimmungen bei langjährig beschäftigten Künstlern einschließlich deren Bestandsschutz nach 15 Jahren Beschäfti-gungsdauer bzw. auch die Normierung von Abfindungsansprüchen unterhalb dieser 15 Jahre-Schwelle erweisen sich daher (bisher) als unionsfest.
B. Aktuelle Fälle
I. Ist der „60.“ ein Befreiungstatbestand nach § 40 Abs. 4 Satz 1 TVK?
In einem aktuellen Fall muss sich das Arbeitsgericht Lüneburg mit der Frage beschäftigen, ob ein „runder“ Geburtstag wie der 60. gem. § 40 Abs. 4 Satz 1 TVK einen Anspruch auf Arbeitsbefreiung eines Musikers begründet. Hinter-grund des Rechtsstreits war, dass aus dringenden betrieblichen Gründen (Konzert) einem Musiker die beantragte Arbeitsbefreiung für seinen 60. Ge-burtstag versagt bzw. ein Anspruch auf die begehrte Freistellung verneint wurde.
Der Musiker vertritt in diesem Fall die Auffassung, dass auch ein runder Ge-burtstag wie der 60. einen „dringenden persönlichen Grund“ im Sinne des § 40 Abs. 4 Satz 1 TVK darstelle und neben den in § 40 TVK genannten Gründen auch entsprechende runde Geburtstage geeignet seien, einen entsprechen-den Befreiungstatbestand zu begründen, was insbesondere aufgrund des be-zahlten Freistellungsanspruchs auch die Verpflichtung des Arbeitgebers be-gründen würde, ggf. für die Kosten einer Aushilfe aufzukommen.
Das Theater vertritt den Standpunkt, dass ein „runder Geburtstag“ wie der 60. nicht als ähnlicher persönlicher Anlass im Sinne des § 40 Abs. 4 Unterabs. 1 TVK zu qualifizieren ist. Die Auslegung des § 40 Abs. 4 TVK ergibt insbeson-dere, dass die Tarifvertragsparteien mit „dringenden“ Gründen nur solche ha-ben normieren wollen, deren Anlässe nicht oder nur eingeschränkt termin-lich planbar sind. Dies ist bei einer Geburtstagsfeier im Gegensatz zu den in § 40 Abs. 4 TVK genannten Beispielen nach diesseitiger Auffassung nicht der Fall. Hierfür sprechen sowohl die in § 40 Abs. 4 Satz 1 TVK angeführten „drin-genden persönlichen Gründe“ wie beispielsweise die Eheschließung, der Umzug aus persönlichen Gründen, die Kommunion oder Konfirmation des eigenen Kindes, der Todesfall eines engen Angehörigen, woraus ersichtlich ist, dass die Tarifvertragsparteien weder wiederkehrende Ereignisse noch run-de Geburtstage als geeignete Befreiungstatbestände haben normieren wollen. So wird hier in diesem Verfahren auch die Auffassung vertreten, dass ein sich wiederholender Anlass wie ein runder Geburtstag nicht eine vergleichbare Qualität wie etwa dem Tod eines engen Angehörigen (Begräbnis) hat, zudem es sich hier um kein ohne weiteres verschiebbares Ereignis handelt. Ebenso wird von dem Unterzeichner in diesem Verfahren mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz insbesondere mit § 1 AGG, der eine Anknüpfung an das Alter eines Beschäftigten normiert, dahingehend argumentiert, dass bei Gewährung eines Freistellungsanspruchs hier (bei einem 60. Geburtstag) demzufolge bei einer anderen Wertung (Befreiungstatbestand) auch bei allen anderen runden Geburtstagen, also nicht nur dem 20. Gegenüber allen Be-schäftigten „frei“ zu geben wäre, ansonsten dies eine Benachteiligung wegen des Alters bedeuten würde.
Über den Fall wird weiter berichtet.
II. Anspruch eines einzelnen Chormitgliedes auf (zusätzliche) ange-messene Vergütung trotz Vereinbarung mit Chorvorstand?
In diesem Verfahren geht es um die Frage, inwieweit ein einzelnes Chormit-glied eben dem Chorvorstand einzeln selbständig zusätzliche Rechte auf an-gemessene Vergütung bei einem vom NDR aufgezeichneten Konzert geltend machen kann.
Grundsätzlich steht gem. § 80 Abs. 1 Satz 1 UrhG das Recht von Geltendma-chung von Ansprüchen aus Aufnahmen, öffentlichen Wiedergaben und Nut-zungsrechten dem von der entsprechenden Künstlergruppe (hier: Chor) ge-wählten Vertreter (Vorstand) zu (vgl. §§ 80 Abs. 2, 74 Abs. 2 Satz 2 UrhG i.V.m. §§ 48 ff. NV Bühne).
In diesem Fall, in dem auch der klagende Chorsänger an einem vom NDR aufgezeichneten Konzertes teilgenommen hatte, wurde zuvor mit dem gewähl-ten Chorvorstand eine Vereinbarung getroffen, in welcher in vergütungsmäßi-ger Hinsicht eine Regelung getroffen wurde, dass für die Abgeltung aller An-sprüche zwei freie (bezahlte) Tage ausgezahlt werden.
Trotz dieser mit dem Chorvorstand getroffenen Vereinbarung fühlte sich ein einzelnen Chormitglied an diese Vereinbarung nicht verbunden und klagt vor dem Amtsgericht darüber hinaus einzeln auf Zahlung einer zusätzlichen fi-nanziellen Vergütung mit der Argumentation, dass die zwischen den Parteien vereinbarte Vergütung nach § 80 Abs. 1 und 2 NV Bühne unangemessen sei.
Dahingehend wird von dem Theater die Ansicht vertreten, dass dem einzelnen Chormitglied kein Anspruch auf Geltendmachung eines entsprechenden leis-tungsschutzrechtlich begründeten Vergütungsanspruches neben dem Chor-vorstand begründe (fehlende Aktivlegitimation) und die in der Vereinbarung mit dem Chorvorstand vereinbarte (bezahlte freie Tage statt „reiner“ monetären Regelung) ferner auch angemessen im Sinne der tarifvertraglichen Regelung im Sinne des § 80 NV Bühne ist. So bestimmen die Vorschriften in § 80 Abs. 2, § 74 Abs. 2 Satz 2 UrhG i.V.m. §§ 48 ff. NV Bühne ausdrücklich, dass für die Geltendmachung von Ansprüchen aus Aufnahmen, öffentlichen Wiederga-ben und Nutzungsrechten für die Künstlergruppe der gewählte Vertreter (Vorstand) allein befugt ist, entsprechende Ansprüche leistungsschutzrechtli-cher Qualität geltend zu machen. Explizit regele insbesondere auch die Pro-tokollnotiz zu Abs. 1 Abs. 2 des § 51 NV Bühne, dass die Tarifvertragspartei-en die Geltendmachung von Leistungsschutzrechten ausdrücklich dem Vor-stand der Künstlergruppe zugewiesen habe und daher folglich auch allein dazu legitimiert ist, entsprechende verbindliche Vereinbarungen mit einem Theater zu treffen.
Das Arbeitsverhältnis richte sich zudem nach dem NV Bühne, der ebenso ex-plizit in § 8 Abs. 1 hinsichtlich der Reichweite der vom Mitglied übertragenen Nutzungsrechte insbesondere auch die streitgegenständlichen Leistungen bei Veranstaltungen zu Funkzwecken normiert und von einer entsprechenden Einwilligung ausgeht.
Relevant ist ferner, dass nach § 8 Abs. 5 NV Bühne entsprechende aus-schließlichen Nutzungsrechte dem Arbeitgeber zustehen und – mit Ausnahme der Sondervergütung – mit der vereinbarten Gage abgegolten sind. Abgese-hen davon wird in diesem Verfahren vom Arbeitgeber noch die Ansicht vertre-ten, dass aufgrund des im Arbeitsvertragsrecht generell geltenden § 43 UrhG die Grundsätze der sogenannten „Zweckübertragungstheorie“ hier auch ent-sprechend von den Tarifvertragsparteien im Sinne des § 32 UrhG (angemes-sene Vergütung) umgesetzt worden sind.
Entgegen der Auffassung des Chormitglieds wird ferner argumentiert, dass eine Anknüpfung an „GEMA-Maßstäbe“ (Ausschüttungen) kein geeigneter Maßstab für die Sondervergütung darstelle, der bei der Berechnung der Höhe einer Vergütung für Nutzungsrechte zwischen einem Theater und den an der Produktion mitwirkenden zugrunde gelegt werden könne.
Üblicherweise wird für die Übertragung entsprechender Leistungsschutzrech-te häufig ein prozentualer Anteil des von der Rundfunkanstalt gezahlten Be-trages gezahlt und dies von der Kommentierung Bolwin/Sponer zu den §§ 80, 59 NV Bühne auch als absolut angemessen angesehen. Vorliegend überstei-gen die Leistungen (Gewährung zwei freier bezahlter Tage) die Leistungen des NDR an das Theater, um ein Vielfaches, soweit hier Vereinbarungen einer Entschädigung durch bezahlte Freizeit getroffen wurden.
Über das Verfahren wird weiter berichtet.
C. Aktuelle Rechtsprechung aus dem Sozialversicherungsrecht
I. Zur Sozialversicherungsfreiheit von Bühnenkünstlern
In zwei aktuelleren Entscheidungen des Bundessozialgerichts (12. Senat) hat das BSG sich nunmehr erstmals seit seinem Urteil vom 20.3.2013 (B 12 R 13/10 R) wieder mit d er Frage der Sozialversicherungspflicht bzw. -freiheit bei Künstlern, einmal bei einem Opernchorsänger, zum anderen bei einem Schauspieler im Fernsehbereich (Fernsehproduktion „Rosenheim Cops“) be-schäftigt.
In der ersten Entscheidung vom 14.3.2018 (B 12 KR 3/17 R) hat das BSG in dem hier konkret entschiedenen Sachverhalt (tagweise seit 2006 beschäftigter Chorsänger mit hier detailliert vertraglich formulierten „Eckpunkten der Auffüh-rungen“) entschieden, dass in diesem Fall anders als in dem Sachverhalt des Urteils vom 20.3.2013 (B 12 R 13/10 R) in den vertraglichen Festlegungen nicht lediglich gewisse Eckpunkte der Aufführungen wie deren Beginn und Ende sowie den „groben“ Inhalt der (künstlerischen) Tätigkeit als Sänger, Bal-letttänzer bzw. Schauspieler enthielten, sondern die getroffenen Vereinbarun-gen hier insbesondere über diese „Eckpunkte“ der Aufführungen bzw. den „groben Inhalt“ der zu erbringenden Tätigkeit hinausging. Bedeutsam ist also, dass in diesem Urteil das Gericht festgestellt hat, dass das Theater in die-sem konkret entschiedenen Sachverhalt kein über diese „Eckpunkte“ und den „groben Inhalt“ der Auftritte hinausgehendes Weisungsrecht ausgeübt habe. So habe der Opernchorsänger vorliegend aufgrund der detaillierten vertragli-chen Vereinbarungen nicht lediglich „vereinbarten Rahmenvorgaben“ bzw. „konkreten arbeitsbezogenen Weisungen“ unterlegen, so dass dieses Ergeb-nis auch nicht im Widerspruch zu dem Urteil vom 20.3.2013 stehe.
In einem weiteren Urteil vom 14.3.2018 (B 12 KR 17-16 R) in dem sogenann-ten „Rosenheim-Cop“-Fall (Fernsehproduktion) dahingehend Formulierungen im Darstellervertrag wie „voraussichtliche Drehtage sollen der … sein (einschl. der Verpflichtung für Dreharbeiten zur Verfügung sich weiter während der Ver-tragszeit weiter zur Verfügung zu halten“) entschieden, dass Versicherungs-pflicht vorlag und der Schauspieler in dem Vertragszeitraum zeitlich befristet im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB IV abhängig beschäftigt war. Aufgrund abhängi-ger Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt unterlag er damit jedenfalls auch der gesetzlichen Rentenversicherung. Eine Versicherungsfreiheit wegen zeitlich geringfügiger Beschäftigung nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV wurde deshalb ver-neint, weil in dem vorliegend entschiedenen Fall die Beschäftigung berufs-mäßig ausgeübt wurde und ferner das Entgelt auch 400 € im Monat über-stiegen hatte. Demzufolge hat das BAG auch hier eine Beitragspflicht bis zur monatlichen Beitragsbemessungsgrenze angenommen (vgl. § 157, § 162 Satz 1 Nr. 1 SGB VI).
D. Exkurs
Arbeitnehmer und freier Mitarbeiter bei demselben Unternehmen – geht das?
Eine auch in der Theaterpraxis immer wieder relevante Frage ist, ob neben einem Arbeitsverhältnis zwischen denselben Vertragsparteien auch ein freies Dienstverhältnis („Honorartätigkeit“, „freie Mitarbeit“, „Freelancer“) vereinbart werden kann.
Das BAG hatte am 27.6.2017 Gelegenheit, in zwei Entscheidungen (9 AZR 851/16, 9 AZR 852/16) hierzu Stellung zu nehmen. Im Ergebnis hat es in bei-den Fallen ein Nebeneinander von Arbeitsverhältnis und freiem Dienstver-hältnis für möglich angesehen.
Gerade weil die von dem BAG in den Blick genommene Konstellation den Be-reich von Musikschulen betraf, können aus den Urteilsbegründungen insbe-sondere auch für den Bereich der Theater und Orchester nicht unwichtige Fingerzeige für die (zukünftige) Vertragsgestaltung entnommen werden:
Entscheidend: Strikte Trennung beider Vertragsverhältnisse in Vertrag und Praxis
Der 9. Senat knüpft zunächst an die hinlänglich bekannten Grundsätze zur Abgrenzung von Arbeitsverhältnissen und freien Mitarbeiterverhältnissen an: Arbeitnehmer sei, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Dabei kann das Weisungsrecht Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Arbeitneh-mer sei, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Ar-beitszeit bestimmen kann (vgl. § 84 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 HGB). Die Eigen-art der jeweiligen Tätigkeit habe Einfluss auf den Grad der persönlichen Ab-hängigkeit. Allerdings komme es auch auf den wirklichen Geschäftsinhalt an, nicht auf die Bezeichnung. Der objektive Geschäftsinhalt müsse sowohl an-hand der vertraglichen Vereinbarungen wie auch der praktischen Durchfüh-rung des Vertrages geprüft werden; bei Widersprüchen sei die tatsächliche Durchführung maßgeblich, da aus dieser am ehesten Rückschlüsse zu zie-hen seien, von welchen Rechten und Pflichten die Vertragsparteien ausge-gangen sind, also wirklich gewollt haben. § 611 a BGB spiegele diese Rechts-grundsätze nach Auffassung des BAG insbesondere wider.
Was hat diese Entscheidung für die Bühnenpraxis folglich zu bedeuten:
• Die vereinbarte Tätigkeit muss sowohl grundsätzlich sowohl in einem abhängigen Arbeits- als auch in einem freien Dienstverhältnis erbracht werden können (z.B. Gastverträge mit Musikern, Regieverträge etc.)
• Der freie Dienstvertrag darf dem Auftraggeber keine Weisungsrechte einräumen; die zu erbringenden Leistungen sind vielmehr im Vertrag im Einzelnen deutlich zu beschreiben, und sie müssen sich auch klar von den bereits aufgrund des Arbeitsverhältnisses zu erbringenden Tätigkeit abgrenzen (z.B. NV Bühne).
• Einzelheiten können durch später zu erzielendes Einvernehmen kon-kretisiert werden, so lange ausgeschlossen ist, dass schlicht Weisun-gen erteilt werden, um die konkrete Gestaltung der Leistungspflicht her-beizuführen. Dann läge Weisungsunterworfenheit im Arbeitsverhältnis vor.
• Dem freien Dienstnehmer müssen Möglichkeiten zur selbständigen unternehmerischen Gestaltung seiner Tätigkeit verbleiben, insbe-sondere im Hinblick auf Zeit und Ort der Dienstleistung.
• Der Dienstvertrag darf keine Regelungen für den Fall des Arbeitsaus-falls enthalten (z.B. Anzeigepflichten im Krankheitsfall, erst recht nicht Entgeltfortzahlung wegen Arbeitsunfähigkeit oder Urlaubsvergütung). Die Pflicht zur Nachholung der ausgefallenen Arbeitsleistung dürfte eher dem Charakter eines Dienstvertrages entsprechen.
• Keine Bedeutung misst das BAG dagegen der Honorargestaltung bei. Die Pflicht zur Erstellung einer Leistungsabrechnung ändere nichts da-ran, dass nur erbrachte Leistungen vergütet würden. Die Art der Vergü-tung spiele für die Abgrenzung eines Dienstvertrages von einem Ar-beitsvertrag keine Rolle. Denn persönliche Abhängigkeit bestimme sich danach, inwieweit bei der Ausführung der versprochenen Dienste Wei-sungsgebundenheit vorliege und fremdbestimmt gearbeitet wird. Ent-scheidend sind nur die Umstände der Dienstleistung, nicht die Modalitä-ten der Entgeltzahlung.
Beachte: Problem der versicherungsrechtlichen Beurteilung mehrerer Be-schäftigungen bei demselben Arbeitgeber
Auch sozialversicherungsrechtlich besteht grundsätzlich die Möglichkeit, dass eine natürliche Person für denselben Vertragspartner (Arbeitgeber) als abhängig Beschäftigter und daneben selbständig tätig ist. Werden eine ab-hängige Beschäftigung und eine selbständige Tätigkeit bei demselben Arbeit-geber unabhängig von einander ausgeübt, liegt eine sogenannte gemischte Tätigkeit vor, bei der die abhängige Beschäftigung und die selbständige Tätig-keit nebeneinanderstehen und rechtlich getrennt zu beurteilen sind. Aufgrund der weisungsgebundenen Eingliederung im Rahmen einer Beschäftigung und der erforderlichen weisungsfreien Ausgestaltung einer selbständigen Tä-tigkeit für denselben Vertragspartner bestehen allerdings strenge Maßstäbe für das tatsächliche Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit. Von daher wird in aller Regel von einem einheitlichen Beschäftigungsverhältnis auszugehen sein, in dessen Rahmen der Beschäftigte seine Arbeitsleistung regelmäßig am selben Betriebsort, für denselben Betriebszweck, unter Einsatz der Betriebsmit-tel des Arbeitgebers erbringt. Gerade für den künstlerischen Bereich ist daher Vorsicht geboten, wenn der selbständige Teil der Tätigkeit nur aufgrund der abhängigen Beschäftigung ausgeübt wird und in diese zeitlich, örtlich, organi-satorisch und inhaltlich eingebunden ist und insgesamt wie ein Teil der ab-hängigen Beschäftigung erscheint (so BSG, Urteil vom 3.2.1994 – 12 RK 18/93 -, USK 9411). Für die Abgrenzung kommt es in erster Linie auf die tatsächli-chen Verhältnisse an.