LVM September 2014

 


Mitteilung Nr. 52 des Landesverbandes Nord im Deutschen Bühnenverein




V.i.S.d.P.: Geschäftsführer Joachim Benclowitz, Fachanwalt für Arbeitsrecht


Nr. 52                                                                 September  2014
 
A.    Aktuelles

EU-Verordnung zum Notifizierungsverfahren

B.     Aktuelle Fälle

I.    Nichtverlängerungsmitteilung – wirksame und fristgerechte Anhörung ( ArbG Köln v. 12.03.2014,  Aktz.: 20 Ha 8/13)
II.    Zustimmungsersetzung zur Eingruppierung als „Tonmeister“ in den NV Bühne SR Bühnentechniker nach Inkrafttreten des Änderungstarifvertrages Nr. 8 zu § 1 Abs. 2 Buchst. n TVöD ( ArbG Hannover v 13.03.2014, Aktz.: 7 BV 18/13 )
III.     Nichtverlängerungsmitteilung – Verletzung des Begründungserfordernis des Schieds-spruches – Verstoß gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Geschlechts       ( LAG Köln, Aktz.: 12 Sa 911/13)
IV.     Befristung während des Ausschreibungsverfahren ( ArbG Flensburg v. 04.06.2014,  Aktz.: 1 Ca 1339/13
V.     Praktikantenvertrag – Arbeitsvertrag ( LAG Berlin-Brandenburg v. 22. Mai 2014, Aktz.: 18 Sa 290/14)


C.     Aktuelle Rechtsprechung

I.    Flashmob-Aktion: Verfassungsbeschwerde gegen BAG- Urteil erfolglos ( BVerfG 26.03.2014 , Aktz.: 1 BvR 3185/09)
II.    Mitbestimmung bei Organisation des betrieblichen Arbeitsschutzes ( BAG 18.03.2014, Aktz.:  1 ABR 73/12)
III.    Kein Anspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber auf Einrichtung eines Arbeits-ausschusses ( BAG 15.04.2014, 1 ABR 82/12)
IV.    Anschlussverbot gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG jetzt doch zeitlich unbeschränkt ? ( LAG Baden-Württemberg 21.02.2014, Aktz.: 7 Sa 64/13 )
V.    Personenbedingte Kündigung –Alkoholerkrankung ( BAG 20.3.2014, Aktz.: 2 AZR 565/12)

 


A.    Aktuelles

Wie bereits der Deutsche Bühnenverein mit Nachricht vom 7. Juli 2014 versandt, ist mittler-weile die EU-Verordnung zum Notifizierungsverfahren (Verordnung (EU) Nr. 651/2014 der Kommission vom 17. Juni 2014) im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden und am 1. Juli 2014 in Kraft getreten. Den vollständigen Text können Sie unter dem folgen-den Link abrufen:

http://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?qi
d=1404295693570&uri=CELEX:32014R0651

Die Verordnung legt im Detail fest, unter welchen Voraussetzungen staatliche Beihilfen von der EU notifiziert werden müssen. Dies betrifft auch die öffentliche Kulturförderung. Hinzu-weisen ist auf die Begriffsbestimmungen in Artikel 2 Nr. 140 für Beihilfen für Kultur und die Erhaltung des kulturellen Erbes. Außerdem werden in Artikel 4 Nr. 1 Buchst. z die Anmelde-schwellen für die Investitionsbeihilfen festgelegt. Die für unseren Bereich darüber hinaus maßgeblichen Vorschriften finden sich in Abschnitt 11. Soweit bei Ihnen Investitionsbeihilfen in einem Umfang über 100 Mio. Euro zur Verfügung gestellt werden bzw. Ihre laufende öf-fentliche Finanzierung jährlich 50 Mio. Euro übersteigt, empfehlen wir, zwischen dem jewei-ligen Träger und der Kultureinrichtung umgehend das weitere Vorgehen zu besprechen.

Der europäische Verband Pearle* - Live Performance Europe hat eine vereinfachte Darstel-lung der neuen Verordnung für den Kulturbereich erarbeitet. Diese kann bei Bedarf auch von uns angefordert werden.



B.    Aktuelle Fälle

I.     Nichtverlängerungsmitteilung – wirksame und fristgerechte Anhörung (LAG Köln vom 17.06.2014 Aktz.: 12 Sa 403/14 )

Die Parteien streiten im Wege der Aufhebungsklage über die Wirksamkeit einer Nichtverlän-gerungsmiteilung.

Am 07.10.2011 erhielt der Kläger gegen 15 Uhr die Einladung zu einem Anhörungsgespräch für den 13.10.2011 nachmittags gemäß § 61 NV Bühne. Ablauf und Inhalt des Gesprächs bleiben zwischen den Parteien streitig. Die Beklagte machte geltend, der Kläger sei in der Tür stehen geblieben und habe sich darauf berufen, dass die Einladung/Anhörung nicht wirksam sei. Gründe für die Nichtverlängerungsmitteilung wurden dem Kläger sodann nicht genannt. Der Kläger behauptet, die Dienstplangestaltung zwischen der Übergabe des Einladungs-schreibens und dem Anhörungstermin habe ihm keine Zeit gelassen, sich um einen Beistand  zu kümmern.

Das Arbeitsgericht bestätigte  die Entscheidung des Bühnenoberschiedsgerichts Frankfurt a.M. vom 06.05.2013, BOSchG 11/12. Die Berufung des Klägers blieb erfolglos.
 
Der Kläger ist ordnungsgemäß vor Ausspruch der Nichtverlängerungsmitteilung angehört worden. Gemäß § 1 Abs. 4 Satz 2 NV Bühne ist das Solomitglied fünf Tage vor der Anhö-rung zur Anhörung schriftlich einzuladen.

Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, die Beklagte hätte den Anhörungster-min wegen der Beschäftigung während der Tage bis zum Anhörungstermin verschieben müs-sen. Die Parteien des Normalvertrags Bühne haben eine feste Frist für die Ankündigung des Anhörungsgesprächs vorgesehen, welche dem Arbeitnehmer unter anderen die Einholung von Rechtsrat und die Vorbereitung hierauf ermöglichen soll. Den dafür erforderlichen Zeitraum pauschaliert die tarifliche Regelung und eröffnet somit keine weitergehende Angemessen-heitskontrolle der Vorbereitungsfrist im Einzelfall. Anhaltspunkte für eine überobligatorische Beschäftigung des Klägers liegen zudem nicht vor.

Es kann auch nicht der Beklagten zugerechnet werden, wenn der Kläger während der Frist des § 61 Abs. 4 Satz 2 NV Bühne niemanden erreichte, der bereit war, ihm im Anhörungsge-spräch beizustehen.   

Die Anhörung ist auch nicht unwirksam, weil sie in der vorgesehenen, in der als Betriebsver-einbarung geltenden Hausordnung, Ruhezeit abgehalten wurde. Denn bei der Anhörung nach § 61 Abs. 4 NV Bühne handelt es sich nicht um Arbeitszeit im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. Die Erbringung von Arbeit im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG setzt eine Tätig-keit voraus, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient. Die Anhörung dient nicht der Befriedigung eines Bedürfnisses des Arbeitgebers, sondern allein der Wahrung der Bestandsinteressen des Arbeitnehmers.

Nach den Feststellungen des Bühnenschiedsgerichts und des Bühnenoberschiedsgerichts nach der erfolgten Beweisaufnahme hat sich der Kläger geweigert, die Anhörung durchzuführen. Die Beklagte musste damit im Termin vom 13.10.2011 keine Gründe für die Nichtverlänge-rungsmitteilung nennen.  Die Beweiswürdigung des Bühnenschiedsgerichts  begegnet – wie schon das Arbeitsgericht festgestellt hat – keinen durchgreifenden Bedenken. Ein revisions-rechtlich relevanter Fehler ist nicht erkennbar.   



II.     Zustimmungsersetzung zur Eingruppierung als „Tonmeister“ in den NV Bühne SR Bühnentechniker nach Inkrafttreten des Änderungstarifvertrages Nr. 8 zu § 1 Abs. 2 Buchst. n TVöD ( ArbG Hannover v 13.03.2014, Aktz.: 7 BV 18/13 )

Der Betriebsrat verweigerte die Zustimmung zu der von der Arbeitgeberin beabsichtigten Eingruppierung des Tonmeisters in den NV Bühne, SR Bühnentechnik mit der Begründung, er halte eine Eingruppierung in den TVöD für zutreffend, da aufgrund eines Änderungstarif-vertrages zum TVöD auch das Berufsbild der Tonmeister in den personellen Geltungsbereich des TVöD gerückt sei.

Die Zustimmung wurde ersetzt.

Das Arbeitsgericht Hannover führt aus, dass zwar dem Betriebsrat darin zuzustimmen sei, dass nach dem tariflichen Geltungsbereich auch eine Eingruppierung in die Entgeltstrukturen des TVöD möglich gewesen wäre. Im Rahmen der Mitbestimmung nach § 99 BetrVG hat der Betriebsrat kein Mitgestaltungsrecht, sondern lediglich ein Mit-Beurteilungsrecht über die Frage der zutreffenden Eingruppierung des einzustellenden Arbeitnehmers. Dies ist auch der Maßstab, den die staatlichen Gerichte im Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG zu beachten haben. Dabei kommt es bei der Frage, ob die Entscheidung des Arbeit-gebers über die Anwendung eines bestimmten Tarifwerkes auf einen Arbeitnehmer nur darauf an, ob die Auswahlentscheidung des Arbeitgebers unter mehreren dem formalen Geltungsbe-reich nach in Frage kommenden Tarifverträgen offensichtlich sachwidrig ist.

Die Arbeitgeberin ist als Betreiberin des Theaterbetriebs unmittelbar Tendenzträger der Kunstfreiheit aus Art. 5 GG. Ihr und nur ihr obliegt es auch zu entscheiden, ob die Tätigkeit des bühnentechnisches Personals, das hinter und am Rande der Bühne an Produktionen des Theaterbetriebs mitwirkt, künstlerisch tätig ist oder nicht. Die staatlichen Gerichte sind darauf beschränkt zu prüfen, ob die Zuordnung des bühnentechnisches Personals zur überwiegend künstlerischen Tätigkeit offensichtlich falsch oder missbräuchlich ist oder nicht. Nach Auf-fassung des ArbG Hannover schützt Art. 5 Abs. 3 GG nicht nur Werk- und Wirkbereich des Künstlers, sondern auch als Institutsgarantie der Kunst und als Abwehrrecht dieses Instituts Kunst gegen unberechtigte Eingriffe des Staates. Aus diesem Grunde können die staatlichen Gerichte nur bei krassen Ausnahmefällen, die bei Missbrauch regelmäßig gegeben sein wer-den, entgegen der Bewertung des künstlerischen Tendenzträgers seine Mitwirkung als Nicht-Künstler einordnen. Hierfür bestanden vorliegend keine Anhaltspunkte.      



III.     Nichtverlängerungsmitteilung – Verletzung des Begründungserfordernis des Schiedsspruches – Verstoß gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Ge-schlechts (LAG Köln, Aktz.: 12 Sa 911/13)

Die Parteien streiten im Rahmen einer Aufhebungsklage nach § 110 ArbGG über die Beendi-gung ihres Arbeitsverhältnisses infolge einer Nichtverlängerungsmitteilung. Die Klägerin ist Solotänzerin mit Gruppenverpflichtung im Ballettensemble der Beklagten.

Die Klägerin führte aus, dass die Nichtverlängerungsmitteilung ihr Geschlecht diskriminiere, aus dem Protokoll der Anhörung werde deutlich, dass der Ausspruch der Nichtverlänge-rungsmitteilung durch die Sorge vor einer Schwangerschaft motiviert gewesen sei.

Die Beklagte beruft sich auf die mangelnde Einsatz- und Leistungsfähigkeit und ihre häufigen Fehlzeiten in der vergangenen Spielzeit. Dadurch habe sie sich nicht mehr in die Tanzgruppe einfügen können, was negative künstlerische Auswirkungen gehabt habe.

Das Arbeitsgericht hatte den Schiedsspruch des Bühnenoberschiedsgerichts, der der Klägerin Recht gab, aufgehoben, da der Spruch an einen schweren Verfahrensfehler leide und daher nichtig sei. Vorliegend was davon auszugehen, dass das Bühnenoberschiedsgericht seinen Spruch vom 22.05.2012 nicht innerhalb der Fünf-Monats-Frist abgesetzt habe. Eine Entschei-dung in der Sache traf das Arbeitsgericht nicht ( wir berichteten).

Das LAG hat das Urteil des Arbeitsgerichts nunmehr abgeändert. Die Kammer lässt offen, ob die Verletzung des tariflich vorgesehenen Begründungserfordernisses trotz der bloß tarifver-traglichen Verankerung im Rahmen des § 110 ArbGG erfolgreich gerügt werden kann, weil es unmittelbar rechtsstaatliche Verfahrensgrundsätze wiedergibt. Ein Verstoß gegen entspre-chende Verfahrensregelungen würde jedenfalls nicht die Aufhebung eines Spruchs der Büh-nenschiedsgerichte rechtfertigen.   

Mit der Entscheidung des Bühnenoberschiedsgerichts ist das Bühnenschiedsgerichtsverfahren verbraucht. Gegenstand des Aufhebungsverfahrens nach § 110 ArbGG sind damit nicht die vom Bühnenschiedsgericht und Bühnenoberschiedsgericht getroffenen Entscheidungen, son-dern das vor dem Schiedsgericht anhängig gemachte Sachbegehren.
Das LAG bestätigt die Ansicht des Bühnenoberschiedsgericht, dass die Nichtverlängerungs-mitteilung wegen Verstoßes gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Geschlechts nach § 134 BGB i.V.m. §§ 1,3,7 Abs. 1 AGG unwirksam ist. Sie konnte daher die Verlänge-rung des Arbeitsverhältnisses der Parteien gemäß § 61 Abs. 2 Satz 1 NV Bühne über den 31.07.2012 hinaus nicht hindern.

Nach Auffassung des BAG ist die Wirksamkeit einer Nichtverlängerungsmitteilung im Hin-blick auf entgegenstehende gesetzliche Verbote zu prüfen und eine Missbrauchskontrolle durchzuführen. Das Diskriminierungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG findet umfassend auf Wil-lenserklärungen, Realakte und tatsächliche Handlungen statt ungeachtet des unterschiedlichen Rechtscharakters der Nichtverlängerungsmitteilung zu einer Kündigung.

Aus den Äußerungen des Intendanten und Geschäftsführers und Ballettdirektorin im Anhö-rungsgespräch ergeben sich ausreichend Indizien dafür, dass die Beklagte das Arbeitsverhält-nis aus Sorge vor erneuten Ausfällen der Beklagten aufgrund einer Schwangerschaft oder infolge des Versuchs einer In-Vitro-Fertilisation nicht verlängern wollte. Sie bestätigt ihre diskriminierende Motivation, wenn sie zur Begründung ihrer Nichtverlängerungsentscheidung auf die fehlende Einsatz- und Leistungsfähigkeit in der vorangegangenen Spielzeit abstellt, da diese maßgeblich auf der Schwangerschaft bzw. den in diesem Zusammenhang vorgenomme-nen Behandlungen beruhten. Den Einwand, dass der Grund der Entlassung nicht die Schwan-gerschaft, sondern die (schwangerschaftsbedingten) Leistungsausfälle seien, hat der EuGH zu Recht nicht anerkannt ( vgl. Urteil vom 4. Oktober 2001 – C-109/00).

Eine Rechtfertigung nach § 8 AGG aufgrund der in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verbürgten Kunstfreiheit sei nicht ersichtlich. Die Beklagte könne nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass  die schwangerschaftsbedingten Fehlzeiten den Proben- und Aufführungsbetrieb stören und damit ihre künstlerischen Belange beeinträchtigen würden. Nach Auffassung der Kammer ist nicht deutlich geworden, dass dies zu einem – auch mit Blick auf das entgegenstehende ver-fassungs- ( Art. 3 Abs. 2 GG) und europarechtlich ( § 21 Abs. 1 EU-Grundrechte-Charta) ver-ankerte Benachteiligungsverbot – überwiegenden Interesse der Klägerin an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten führen könnte. Auch in der vorangegangnen Spiel-zeit habe sich die Klägerin mit der Situation der Beklagten arrangiert.

Dem steht nicht entgegen, dass § 15 Abs. 6 AGG die Begründung eines Arbeitsverhältnisses als Rechtsfolge eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot nicht vorsieht. § 15 Abs. 5 AGG lässt Ansprüche aus anderen Vorschriften unberührt, der vorliegende ergibt sich aus § 61 Abs. 2 NV Bühne.  



IV.    Befristung während des Ausschreibungsverfahren ( ArbG Flensburg v. 04.06.2014,  Aktz.: 1 Ca 1339/13

Die Parteinen streiten um die Wirksamkeit einer Befristung.

Die Klägerin ist seit dem 27.08.2009 aufgrund unterschiedlicher befristeter Arbeitsverträge bei der Beklagten als Violinistin beschäftigt. Die befristeten Arbeitsverträge der Klägerin fan-den ihren Grund jeweils in unterschiedlichen Vertretungssituationen. Mit Vertrag vom 21.06.2013 wurde mit der Klägerin das letzte befristete Arbeitsverhältnis mit der Laufzeit vom 01.08.2013 bis 31.10.2013 geschlossen.

Diese Stelle war am 11.06.2013 frei geworden und wurde sodann ab dem 14.06.2013 online geschaltet. Bei der Beklagten existiert für die Besetzung von Stellen eine Probespielordnung.

Die Klägerin hat sich auf die ausgeschriebene Stelle beworben und am Vorspiel hinter dem Vorhang am 18.09.2013 teilgenommen. Dort schied sie aus, die Stelle wurde im zweiten Vor-spiel vergeben.

Im Rahmen von mehrfach aneinander anschließenden Befristungen ist lediglich der letzte befristete Arbeitsvertrag gerichtlich überprüfbar.

Gemäß § 14 Abs. 2 TzBfG ist die Befristung aus sachlichem Grund u.a. dann zulässig, wenn „der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht“ ( § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG) oder „der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäf-tigt wird“ ( § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TzBfG). In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine sogenannte „Platzhalterbefristung“ zulässig ist, wenn der Arbeitgeber sich schon vertraglich an einen anderen Arbeitnehmer gebunden hat und dieser noch nicht unmittelbar beschäftigt werden kann ( BAG vom 13.10.2004 – 7 AZR 218/04). Dieser Fall lag vorliegend nicht vor, da der Ausgang des Bewerbungsverfahrens noch offen war.

Eine Befristung kann auch dann gerechtfertigt sein, wenn ein Arbeitnehmer für eine Überbrü-ckungszeit befristet beschäftigt wird, weil der Arbeitgeber entschieden hat, den Arbeitsplatz nach Ausscheiden des Stelleninhabers mit einem Mitarbeiter zu besetzen, der über bestimmte Anforderungen verfügt ( BAG vom 05.06.2002 – 7 AZR 201/01).

Vorliegend ist die Befristung des Arbeitsvertrages der Klägerin vorgenommen worden, um die von ihr befristet ausgefüllte Stelle unbefristet mit einem Mitarbeiter zu besetzen, der im Probespiel ausgewählt wird. Hierbei handelt es sich um einen vorübergehenden Bedarf. Schließlich muss die Stimme bis zur endgültigen Besetzung der Stelle besetzt sein, so dass der Bedarf bis zu diesem Zeitpunkt überbrückt werden muss ( ebenso ArbG Oldenburg vom 19.10.2011 – 3 Ca 239/11 Ö, LAG Niedersachsen vom 17.04.2012 – 3 Sa 1704/11). Bei der vorliegenden Befristung geht es also nicht darum, dass eine dauerhafte Stelle anstelle einer unbefristeten Besetzung mit einer befristeten Arbeitskraft ausgefüllt werden soll. Vielmehr geht es nur um die Überbrückung bis zu einem Zeitpunkt, zu dem eine geeignete Kraft den Qualitätsanforderungen im vorgesehenen Verfahren entsprechend ausgewählt werden kann.

Die Kammer ist der Auffassung, dass die Beklagte grundsätzlich berechtigt ist, sich an die – für sie allerdings rechtlich nicht verbindliche – Probenspielordnung zu halten. Wenn es einem Arbeitgeber verwehrt wäre, zur Einhaltung eines solchen Auswahlverfahrens einen Arbeit-nehmer befristet zu beschäftigen, so stünde er vor der Situation, entweder die Aufgabe nicht ausfüllen zu können oder aber auf ein entsprechendes Auswahlverfahren verzichten zu müs-sen. Dies kann einem Arbeitgeber jedoch nicht zugemutet werden, so dass eine Befristung wegen vorübergehenden Bedarfs für den Zeitraum, den das Auswahlverfahren benötigt, zu-lässig sein muss. Ergänzend kommt im vorliegenden fall hinzu, dass die Kunstfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 GG es gebietet, dass die Beklagte ihre künstlerische Tendenz so ausüben kann, dass sie nach eigenen Qualitätskriterien die Stellen besetzen darf.

Allerdings ist Voraussetzung dafür, dass der Arbeitgeber eine entsprechende Befristung vor-nehmen kann, dass er zum Zeitpunkt des Abschlusses des befristeten Arbeitsvertrages die Entscheidung getroffen hat, die unbefristet Stelle nur nach Probespiel zu vergeben.   

V.    Praktikantenvertrag – Arbeitsvertrag ( LAG Berlin-Brandenburg v. 22. Mai 2014, Aktz.: 18 Sa 290/14)

Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Vertragsverhältnis als Ar-beitsverhältnis zu qualifizieren, die vereinbarte Befristung wirksam ist und ob der Kläger An-spruch auf Vergütung gemäß Vergütungsgruppe A des Tarifvertrages für die Musiker in Kul-turorchestern ( TVK) hat.

Der Kläger betrieb ein Musikstudium und war vom 16. August 2012 befristet bis zum 15. August 2013 im Staatsorchester tätig. Grundlage der Tätigkeit war eine als Praktikantenver-trag bezeichnete Vereinbarung.

Sowohl nach Auffassung des Arbeitsgerichts Frankfurt als auch des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg war das zwischen den Parteien bestehende Vertragsverhältnis als Ar-beitsverhältnis zu qualifizieren.

Grundsätzlich handelt es sich bei einem Praktikum um den zwingenden Bestandteil einer Ge-samtausbildung oder einer Zulassungsvoraussetzung ( BAG, Urteil vom 5. August 1965, 2 AZR 439/64). Ein Praktikum in einem Sinfonieorchester ist im Rahmen des vom Kläger be-legten Diplomstudiengang nicht erforderlich.     

Selbst wenn man annimmt, es stünde den Parteien aufgrund der ihnen zukommenden Privat-autonomie frei, auch außerhalb von Ausbildungs- oder Studienordnungen  Praktika zu verein-baren, sei gleichwohl vorliegend von einem Arbeitsverhältnis auszugehen.

Der Kläger habe in persönlicher Abhängigkeit für die Beklagte fremdbestimmte Dienste ge-leistet. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die Parteien ihr Vertragsverhältnis als Praktikum bezeichneten.

Das LAG führt aus, dass die beklagte Stadt keine ausreichenden Tatsachen vorgetragen hat, denen der Fortbildungs- bzw. Ausbildungscharakter der Tätigkeit zu entnehmen gewesen wä-re. Vielmehr sei der Kläger bei Würdigung des Vorbringens der Parteien tatsächlich behandelt worden wie ein „normaler“ Orchestermusiker auf der Stelle des stellvertretenden Solotrompe-ters. Weder die Zahl noch die Art der Einsätze unterschied sich von Einsätzen der sonstigen Orchestermusiker. Der Kläger war vollständig in das Orchester eingegliedert worden und in den Dienstplan eingeteilt. Ein Fortbildungsplan, der Einsätze oder Tätigkeiten ausgerichtet an Fortbildungs- oder Ausbildungszielen vorsah, ist, obwohl ein solcher vertraglich vorgesehen war, tatsächlich nicht erstellt worden. Der Kläger hat seine Arbeit überwiegend selbständig gemacht. Als Praktikant wäre er tätig gewesen, wenn er seine Arbeit unter Anleitung erbracht hätte.

Dem Landesarbeitsgericht hat insoweit ein etwaiges Ablehnungsrecht und die Absprache mit dem Mentor über geeignete Stücke für die Annahme eines Praktikantenverhältnisses nicht als ausreichend bezeichnet.

Das Arbeitsgericht führte zudem aus, dass die Vereinbarung einer dreimonatigen Probezeit ein typischer Bestandteil eines Arbeitsverhältnisses sei. Dem Kläger traf die Pflicht nach § 7 des Praktikantenvertrages den Anweisungen der Orchesterleitung nachzukommen. Für ihn galt die Pflicht zur Beantragung von Nebentätigkeiten, § 6. Ebenso spräche gegen ein Praktikum die vereinbarte Dauer für ein Jahr. Insoweit stelle sich die Frage, inwieweit hier ein Aus-bildungszweck für die Gesamtdauer von einem Jahr im Vordergrund gestanden haben soll. Die Beklagte habe in ihrem Vortrag nicht erkennen lassen, dass beim Kläger Qualifikations-defizite bestanden hätten, die im Rahmen des Ausbildungskonzeptes hätten beseitigt werden sollen.  

Da es für die Befristung entsprechend eines sachlichen Grundes fehlte, der es nach § 3 TVK bedarf, erweist sich diese als unwirksam. Aufgrund der rechtlichen Qualifizierung des Ver-tragsverhältnisses als Arbeitsverhältnis hat der Kläger einen  Anspruch auf Eingruppierung nach § 17 TVK.  

Hinweis:
Wir bitten Sie eindringlich bei der Vereinbarung von Praktikantenverhältnissen höchste Vor-sicht walten zu lassen und sowohl bei der Vertragsgestaltung als auch der tatsächlichen Durchführung das Urteil zu beachten! Gerne sind wir Ihnen dabei behilflich.




C.    Aktuelle Rechtsprechung


I. Flashmob-Aktion: Verfassungsbeschwerde gegen BAG- Urteil erfolglos (BVerfG 26.03.2014 – 1 BvR 3185/09)

Die Gewerkschaft ver.di hatte Menschen per sms aufgerufen, sich in einer näher bezeichneten Einzelhandelsfiliale einzufinden, die Einkaufswagen mit „Pfennigartikeln“ anzufüllen, um an den Kassen lange Warteschlangen zu provozieren. Ziel der Aktion war es, die Betriebsabläufe – auch zum Nachteile der Kunden – empfindlich zu stören. Das BAG hatte diese sog. Flashmobaktion als legitimes Arbeitskampfmittel anerkannt  Hiergegen wurde die Verfas-sungsbeschwerde eingelegt.  

Das BVerfG bestätigt das BAG, welches demnach zutreffend davon ausgeht, dass die Beurteilung, ob eine Betätigung koalitionsspezifisch ist, grundsätzlich nicht nach der Art des von der Koalition gewählten Mittels, sondern nach dem von ihr damit verfolgten Ziel zu erfolgen hat. Gewerkschaftlich getragene, auf Tarifverhandlungen bezogene sogenannte Flashmob-Aktionen der vorliegend zu beurteilenden Art fallen in den Schutzbereich der Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG.

Es bestehe kein Anlass, am koalitionsspezifischen Zweck des Aufrufs zu einem Flashmob der vorliegend zu beurteilenden Art zu zweifeln, der streikbegleitend während der laufenden Ta-rifauseinandersetzung erkennbar darauf ausgerichtet ist, rechtmäßige Arbeitskampfziele zu unterstützen.

Der Arbeitgeberseite stehen geeignete Verteidigungsmittel gegen die hier in Rede stehenden Aktionen zur Verfügung, wie z.B. ein Hausverbot oder eine suspendierende Betriebsstillle-gung.    





II. Mitbestimmung bei Organisation des betrieblichen Arbeitsschutzes ( BAG 18.03.2014, 1 ABR 73/12)

Das BAG hat entschieden, dass der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG mitzubestim-men hat, wenn der Arbeitgeber zur Planung und Durchführung erforderlicher Maßnahmen des Arbeitsschutzes nach § 3 Abs. 2 ArbGG eine geeignete Organisation aufzubauen und ausge-wählten Arbeitnehmern hierbei näher bezeichnete Aufgaben zu übertragen beabsichtigt.

Die Arbeitgeberin betreibt ein Unternehmen, das sich u.a. mit der Installation und der War-tung von Aufzügen befasst. Mit Schreiben vom 16.09.2010 übertrug sie in ihrem Hamburger Betrieb ihr obliegende Pflichten des Arbeitsschutzes für die gewerblichen Arbeitnehmer auf die dort beschäftigten Meister. Zugleich gab sie diesen auf, die entsprechenden Aufgaben und Verantwortlichkeiten auf die ihnen unterstellten Mitarbeiter mit Vorgesetztenstellung zu de-legieren. Den Betriebsrat beteiligte sie hierbei nicht. Dieser hat geltend gemacht, er habe bei der Schaffung einer Organisation zum betrieblichen Arbeitsschutz mitzubestimmen.

Hinweis:
Der Betriebsrat kann einen allgemeinen Antrag auf Feststellung seines Mitbestimmungsrechts stellen, wenn er eine Klärung für künftig zu erwartende, vergleichbare Fälle begehrt. Handelt es sich bei der Übertragung der Unternehmerpflichten um eine Mitbestimmung des Betriebs-rats unterliegende Maßnahme, könnte der Betriebsrat verlangen, an der noch fortgeltenden Übertragung beteiligt zu werden und gemeinsam eine – eventuell abweichende – Regelung zu verlangen.  

Nach Auffassung des BAG hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG der Betriebsrat bei betriebli-chen Regelungen über den Gesundheitsschutz mitzubestimmen, wenn der Arbeitgeber diese aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Rahmenvorschrift zu treffen hat und ihm bei der Gestal-tung Handlungsspielräume verbleiben. Das Mitbestimmungsgesetz setzt ein, wenn eine ge-setzliche Handlungspflicht objektiv besteht und wegen Fehlens einer zwingenden Vorgabe betriebliche Regelungen verlangt, um das vom Gesetz vorgegebene Ziel des Arbeits- und Ge-sundheitsschutz zu erreichen.

Es geht dabei um eine Maßnahme, die dazu dient, die psychische und physische Integrität der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu erhalten, der arbeitsbedingten Beeinträchtigungen ausgesetzt ist, die zu medizinisch feststellbare Verletzungen oder Erkrankungen führen oder führen können, wobei auch vorbeugende Maßnahme erfasst werden. Mit „Organisation“ im Sinne dieser Regelung ist die Ablauf- und Aufbauorganisation des betrieblichen Gesundheits-schutzes gemeint. Das bedeutet, dass es um die Regelung von Zuständigkeiten und Arbeitsab-läufen geht. Mit unkoordinierten Einzelmaßnahmen lässt sich eine derartige Organisation nicht verwirklichen, vielmehr muss es ein Konzept für die Umsetzung der Aufgaben durch Personen und in geregelten Ablaufbahnen geben.

Mit dem Schreiben vom 16.09.2010 habe die Arbeitgeberin eine zur Durchführung des be-trieblichen Arbeitsschutzes geeignete Organisation mit näher bezeichneten Aufgaben und Verantwortlichkeiten geschaffen. Hierfür schreibe das Arbeitsschutzgesetz dem Arbeitgeber kein bestimmtes Modell vor. Es bestimme lediglich einen Rahmen für die Entwicklung einer an den betrieblichen Gegebenheiten ausgerichteten Organisation. Die hierdurch eröffneten Gestaltungsmöglichkeiten unterliegen der Mitbestimmung des Betriebsrats.


III.     Kein Anspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber auf Einrichtung eines Ar-beitsausschusses ( BAG 15.04.2014, 1 ABR 82/12)

Die Beteiligten streiten  über die Verpflichtung der Arbeitgeberin, einen Arbeitsschutzaus-schuss einzurichten.

§ 11 ASiG verpflichtet den Arbeitgeber zur Bildung eines Arbeitsschutzausschusses. Diese Bestimmung begründet jedoch keinen Anspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber auf Einrichtung eines solchen Ausschusses.

Nach dieser Vorschrift hat der Arbeitgeber, soweit in einer sonstigen Rechtsvorschrift nichts anderes bestimmt ist, in Betrieben mit mehr als 20 Beschäftigten einen Arbeitsschutzausschuss zu bilden. In diesen hat der Betriebsrat zwei Mitglieder zu entsenden. Der Arbeits-schutzausschuss hat die Aufgabe, Anliegen des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung zu beraten. Er tritt mindestens einmal vierteljährlich zusammen. Normadressat des § 11 ASiG ist der Arbeitgeber. Kommt dieser seiner Verpflichtung aus § 11 ASiG nicht nach, hat nach der Gesetzessystematik des Arbeitssicherheitsgesetzes die Arbeitsschutzbehörde nach § 12 ASiG die erforderlichen Maßnahmen anzuordnen. Der Betriebsrat kann nach § 89 Abs. 1 Satz 2 BetrVG die zuständige Arbeitsschutzbehörde ersuchen, gegenüber dem Arbeitgeber die Verpflichtungen aus § 11 ASiG im Wege einer Anordnung nach § 12 Abs.1 ASiG durch-zusetzen und diese nach § 20 ASiG im Weigerungsfalle durch Verhängung einer Geld-buße durchzusetzen. Einen unmittelbar gegen den Arbeitgeber gerichteten Anspruch des Betriebsrats auf Errichtung eines Arbeitsschutzausschusses enthält das Arbeitssicherheitsge-setz dagegen nicht.

Ein solcher ergibt sich auch nicht aus § 87 Abs. 1 Nr. 7. Dem steht bereits der Eingangshalb-satz des § 87 Abs. 1 BetrVG entgegen. § 11 ASiG regelt die gesetzliche Pflicht des Arbeitge-bers zur Errichtung eines Arbeitsschutzausschusses abschließend.     


IV.    Anschlussverbot gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG jetzt doch zeitlich unbeschränkt? ( LAG Baden-Württemberg 21.02.2014, Aktz.: 7 Sa 64/13 )

Entgegen der Ansicht des BAG, Urteil vom 06.04.2011 – 7 AZR 716/09 und 21.09.2011 – 7 AZR 375/10, hat das LAG Baden-Württemberg nunmehr entschieden, dass Vorbeschäfti-gungsverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG gelte zeitlich uneingeschränkt.
Der Kläger war in der Zeit vom 17.09.2011 bis zum 30.06.2005 dreimalig zuvor befristet und sodann vom 01.09.2011 bis zum 31.08.2013 sachgrundlos befristet beschäftigt  worden.

Eine kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ist nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG  ohne Vorliegen eines Sachgrundes nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat.

Das LAG setzt sich in seinem Urteil intensiv mit der Erfassung des objektiven Willens des Gesetzgebers aus dem Wortlaut, der Systematik, ihrem Sinn und Zweck sowie aus den Geset-zesmaterialien und der Entstehungsgeschichte der Norm auseinander. Nach diesen Kriterien sei  § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG als zeitlich uneingeschränktes, mithin absolutes Anschlussver-bot zu interpretieren.

Das BAG hat in seiner Entscheidung vom 6. April 2011 § 14 Abs. 2 TzBfG im Wege einer sog. verfassungsorientierten Auslegung dahin interpretiert, dass die Vorschrift kein zeitlich uneingeschränktes Anschlussverbot enthalte und im Wege der Rechtsfortbildung die Verjäh-rungsfrist des § 195 BGB von drei Jahren als dem Normzweck angemessenen Abstand zwi-schen einer Vor- und einer Nachbeschäftigung angesehen. Dies sei jedoch fehlerhaft. Die Vo-raussetzungen einer verfassungskonformen Auslegung habe das BAG verkannt.

Das LAG ist weiter der Auffassung, dass sich das Beklagte Land als Arbeitgeber in Bezug auf die im Lichte der Entscheidung des Siebten Senats vom 6. April 2011 am 24.08.2011 mit Wirkung vom 1.9.2011 bis zum 31.08.2013 vereinbarte Befristungsabrede nicht auf Vertrau-ensschutz berufen kann. Nach der Rechtsprechung des BVerfG bestehe kein schutzwürdiges Vertrauen, wenn die fachgerichtliche Rechtsprechung, von der abgewichen werden soll, „auf so erhebliche Kritik gestoßen ist, dass der unveränderte Fortbestand dieser Rechtsprechung nicht gesichert erscheinen könnte“.

Es wurde Revision eingelegt. Wir werden weiter berichten.  


V.    Personenbedingte Kündigung –Alkoholerkrankung (BAG 20.3.2014 - 2 AZR 565/12)


Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

Der Kläger war seit 1999 bei der Beklagten als Hofarbeiter tätig. Im Jahr 2009 führte die Be-klagte ein striktes Alkoholverbot sowie die Geltung der StVO auf dem gesamten Betriebsge-lände ein. Von ihren Hofarbeitern verlangte sie fortan einen gültigen Führerschein der Klasse 3.

Im Januar 2010 wurde der der Kläger stark alkoholisiert am Arbeitsplatz angetroffen und an-schließend nach Hause geschickt. Wegen weiterer Vorkommnisse kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien im Januar und Februar 2010 jeweils aus Gründen im Verhalten des Klägers. Im nachfolgenden Kündigungsschutzprozess machte dieser geltend, er sei alko-holkrank. Die Beklagte nahm die Kündigungen zurück. Der Kläger nahm das Angebot zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses an. Im Mai 2010 begann er eine Entziehungskur, die er Anfang Juli 2010 abbrach. In den Monaten Juli bis September 2010 führte die Beklagte mit dessen Einverständnis regelmäßig Tests auf Alkohol im Atem durch. Nach einer entsprechen-den Kontrolle am 31.08.2010 und einen Wert von 1,81 Promille wurde der Kläger aufgefor-dert, das Betriebsgelände zu verlassen und erhielt eine Abmahnung. Bei weiteren Tests vom 13.,15. und 20.09.2010 wurde beim Kläger eine Alkoholkonzentration von 0,6,016 bzw. 0,52 Promille festgestellt. Am 7.12. 2010 verursachte er mit einem Firmenfahrzeug außerhalb des Betriebsgeländes einen Unfall. Am 12. Januar 2011 verweigerte er die Teilnahme an einem Alkoholtest. Nach einer Kontrolle legte der Kläger eine in Tschechien ausgestellte Fahrer-laubnis vor, welche für Deutschland keine Gültigkeit hat. Der den Kläger behandelnde Arzt teilte mit, dass nach Abbruch der stationären Therapie keine weiteren Maßnahmen durchge-führt worden seien. Der Kläger wurde Mitte März 2011 aufgefordert, bis Ende des Monats verbindliche Unterlagen „bezüglich Art und Zeitraum einer Entziehungskur in nächster Zu-kunft“ vorzulegen. Dies erfolgte nicht.

Nach Auffassung des BAG ist die ordentliche Kündigung vom 4. April 2011 aufgrund der Alkoholerkrankung des Klägers durch Gründe in seiner Person bedingt und deshalb i.S.v. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial gerechtfertigt.

Hinweis:
Ist im Zeitpunkt der Kündigung die Prognose gerechtfertigt, der Arbeitnehmer biete aufgrund einer Alkoholsucht dauerhaft nicht die Gewähr, in der Lage zu sein, die vertraglich geschulde-te Tätigkeit ordnungsgemäß zu erbringen, kann eine ordentliche Kündigung des Arbeitsver-hältnisses gerechtfertigt sein. Voraussetzung ist, dass daraus eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen folgt, diese durch mildere Mittel – etwa eine Versetzung – nicht abgewendet werden kann und sie auch bei einer Abwägung gegen die Interessen des Arbeit-nehmers vom Arbeitgeber billigerweise nicht mehr hingenommen werden muss. Für die Prognose im Hinblick auf die weitere Entwicklung einer Alkoholerkrankung kommt es ent-scheidend darauf an, ob der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Kündigung bereit ist, eine Ent-ziehungskur bzw. Therapie durchzuführen. Lehnt er das ab, kann erfahrungsgemäß davon ausgegangen werden, dass er von seiner Alkoholabhängigkeit in absehbarer Zeit nicht geheilt wird. Ebenso kann eine negative Prognose dann berechtigt sein, wenn der Arbeitnehmer nach abgeschlossener Therapie rückfällig geworden ist.


Die Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.  

Der Kläger ist nach der Einnahme von Alkohol für die von ihm zu erbringende Tätigkeit als Hofarbeiter nicht einsetzbar. Aufgrund der Gefahren war es der Beklagten nicht zuzumuten, den Kläger auf seinem bisherigen Arbeitsplatz einzusetzen. Nicht zuletzt nach § 7 Abs. 2 der Unfallverhütungsvorschrift „Grundsätze der Prävention“ dürfen Unternehmer Versicherte, die erkennbar nicht in der Lage sind, eine Arbeit ohne Gefahr für sich oder andere auszuführen, mit dieser Arbeit nicht beschäftigen.

Die Beklagte musste aufgrund der Vorfälle in der Vergangenheit auch künftig mit Alkohol-auffälligkeiten des Klägers während der Arbeitszeit rechnen.

Der Kläger hat im Rahmen der ihn nach § 138 Abs. 2 ZPO treffenden abgestuften Darle-gungslast keine Umstände aufgezeigt, die geeignet wären, die Indizwirkung seiner alkoholbe-dingten Ausfälle zu entkräften. Die Beklagte durfte weiter den Umständen nach von einer Therapieunwilligkeit ausgehen.

Für unschädlich hält das BAG, dass der Arbeitgeber vor Ausspruch der Kündigung kein be-triebliches Eingliederungsmanagement durchgeführt hat. Im Streitfall erscheint es als ausge-schlossen, dass ein BEM zu einem positiven Ergebnis hätte führen können.
 

 







­